Aufsatz*


Radrennfahrer

Universität zwischen Ideal und Nutzenkalkül

Hägele, W.: Universität, Geistes- und Sportwissenschaften zwischen Humboldt’schem Ideal und spätmodernem Nutzenkalkül – Ein wissenschaftstheoretischer Beitrag zur aktuellen Diskussion. In: Sport und Gesellschaft – Sport and Society 7 (2010), 2, S. 91-114.

Schlüsselwörter

Humboldt; Universitätsideal; Philosophie; Wissenschaftstheorie; „scientific community“; Grundlagenforschung; Anwendungsforschung; Merton; Wissenschaftsethos; Lehre, Forschung; zweckfrei; Nutzenkalkül; Bologna; Drittmittel; Disziplinen-Differenzierung; Interdisziplinarität; Profilbildung; Geisteswissenschaften; Dilthey; Erklären; Verstehen; Kulturwissenschaften; Simmel; M. Weber; Bildung; Naturwissenschaften; Sportwissenschaften; Theorie der Leibeserziehung; Grupe; Einheit; Vielfalt; Sportlehrerausbildung; Theoretiker; Praktiker; Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft

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Zusammenfassung

Im ersten Teil des Beitrags wird die Forderung nach Einheit und Zweckfreiheit der klassischen Humboldt’schen Universität mit den gegenwärtigen Tendenzen zu anwendungsorientierter Drittmittelforschung, interdisziplinärer Kooperation sowie universitärer Profil- und Schwerpunktbildung konfrontiert. Im zweiten Teil wird erörtert, welche Legitimationsprobleme die Nützlichkeitsdebatte in den Geisteswissenschaften ausgelöst hat, die in der Vergangenheit als offizielle Vertreter des humanistischen Bildungsideals auftraten. Im abschließenden dritten Teil wird das Verhältnis von Einheit und Vielheit sowie von Theorie und Praxis in der Sportwissenschaft re-thematisiert sowie deren wissenschaftstheoretischen Defizite vor dem Hintergrund der veränderten universitären Rahmenbedingungen problematisiert.

Summary

The first part of this paper addresses current tendencies in university governance, contrasting trends towards externally funded applied research, interdisciplinary cooperation, and increasingly specific research profiles against the principle of unity and freedom from utilitarian purpose on which Humboldt’s ideal university is based. The second part discusses the legitimation problems that the debate over utilitarianism has created in the humanities – once regarded as the official representatives of the classical educational ideal. The third and final part takes a new look at the relationships between unity and plurality and between theory and practice in sport science, and discusses deficits in these areas from the perspective of science theory against the backdrop of the changing conditions in which universities today operate.

1  Einleitung

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hat die Ablösung der traditionellen Industriegesellschaft durch die postmoderne Informationsgesellschaft merklich an Gewicht und Einfluss gewonnen.

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Auch die Universität (2) konnte sich dem Sog dieses epochalen Strukturwandels nicht entziehen. Teils getragen durch eine seit Jahrzehnten anhaltende Krisenrhetorik, teils getrieben durch die Faktizität notwendiger Reformen geriet das klassische Humboldt’sche Universitätsideal mit seinem Einheitspostulat und seinem Anspruch auf zweckfreie, in Einsamkeit und Freiheit zu vollziehende reine Forschung immer stärker unter Rechtfertigungsdruck.

Die Geisteswissenschaften (3), über zwei Jahrhunderte Statthalter und Nutznießer des neuhumanistisch-idealistischen Wissenschaftsverständnisses, wurden durch die universitären Veränderungen in eine Nützlichkeitsdebatte verstrickt, die ihre Dominanz und ihr Selbstverständnis in gleichem Maße erschütterte wie die Naturwissenschaften hiervon profitierten. Kritisiert wurde die Forderung nach Bildung durch Wissenschaft ebenso wie die Metaphysik des Geistes als Basis ihres traditionellen Selbstverständnisses.

Die Probleme der Sportwissenschaft(en) (4) liegen weniger in den Mängeln ihrer Anwendung begründet als in ihrer über Jahrzehnte propagierten Einheitsideologie. Angesichts der anhaltenden Disziplinen-Differenzierung ist daher eine Re-Definition des Verhältnisses von sportwissenschaftlicher Einheit und Vielheit unumgänglich. Zur Schlüsselfrage der Zukunft wird hingegen werden, inwieweit die Sportwissenschaft(en) trotz der forcierten Theoretisierung und mutterwissenschaftlichen Ausrichtung bereit sein werden, den in der Vergangenheit oft schwierigen Theorie-Praxis-Bezug für beide Seiten zufriedenstellend zu lösen. Ohne erhöhte wissenschaftstheoretische Reflexion wird es den Sportwissenschaft(en) allerdings kaum gelingen, ihren wissenschaftlichen Standort im Kontext des gesellschaftlichen und universitären Umbruchs bestmöglich zu verorten.

2  Die Universität

2.1  Anwendungsorientierung

Seit den 1970er Jahren löste die Postmodernisierung der Gesellschaft eine nutzenorientierte High-Tech-Offensive aus, die weltweit auf der engen Verkopplung von Naturwissenschaft, Technologie und Wirtschaft basierte. In Deutschland schlug sich diese Entwicklung in der Zunahme außeruniversitärer (in der Mehrzahl naturwissenschaftlich ausgerichteter) Forschungseinrichtungen nieder. Vermehrt übernahmen die (technischen) Universitäten im letzten Jahrzehnt auch wirtschaftliche Aufgaben, wie das Marketing ihrer Erfindungen oder die Installierung eigener Firmen. Andererseits fand eine Verwissenschaftlichung der Großindustrie durch die Angliederung von Forschungszentren an die Unternehmen statt, wodurch sich die Grenzen zwischen Universität und Wirtschaft verwischten (Weingart, 2003, S. 103 ff.).

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Für Mittelstrass (1997 a, S. 13 ff.) wurde damit die klassische Unterteilung in Grundlagen- und Anwendungsforschung brüchig, gar hinfällig. Reine, nur an der Wahrheit orientierte Grundlagenforschung gebe es nur noch in wenigen Spezialbereichen. Den Normalfall bilde heute anwendungsbezogene Grundlagenforschung, die langfristig praktische Erfolge erhoffen lasse. Produktorientierte Auftragsforschung thematisiere hingegen den direkten Verwertungsbezug. Zumindest hat sich in den letzten Jahrzehnten die traditionell duale Entgegensetzung und das Prestigegefälle zwischen selbstbestimmt-hohem und nutzenorientiert-niederem Forschungsinteresse nachhaltig abgeschwächt, tendenziell gar ins Gegenteil verkehrt. Eine versteckte Rivalität schwingt zwar häufig noch mit, doch wird diese in offiziellen Erklärungen zumeist bagatellisiert.

Problematisch dürften vor allem jene Wissenschaftskonzepte sein, die eine überdrehte Finalisierungsthese favorisieren (Böhme, Daele & Krohn, 1973, S. 129 ff.), die wie das Marx’sche Wissenschaftsmodell einzig in einer externen Zwecksetzung und gesellschaftlichen Funktionalität ihre wahre Bestimmung sieht. Dem umgekehrten Extrem einer Überfavorisierung der Grundlagenforschung verdankt Deutschland in den beiden letzten Jahrhunderten seine herausragenden wissenschaftlichen Erfolge. Der Preis hierfür war jedoch die hartnäckige Ausgrenzung und schließlich erfolglose Diskriminierung von Technik, Technologie und praktisch-angewandter Forschung an den Universitäten (Weingart, 1975, S. 408 ff.). Auf Dauer scheint daher jener Wissenschaft am ehesten Erfolg beschieden zu sein, deren oberstes Ziel es ist, vereinseitigende Polarisierungen zu vermeiden und die stattdessen in einer interaktiv offenen und nie endenden Balancearbeit versucht, Wahrheit und Nutzen bzw. Wissenschaft und Technik erfolgreich und gemäß den Erfordernissen der jeweiligen historischen Epoche miteinander zu versöhnen.

2.2  Außensteuerung

Der Trend zur anwendungsorientierten Forschung in Deutschland ging mit Sparzwängen und Etatkürzungen bei Bund und Ländern einher. Zwangsläufig erlangte dadurch die Drittmittel-Beschaffung einen wissenschaftspolitisch dominanten Stellenwert. Gegner dieser Entwicklung befürchten eine unverhältnismäßige Abhängigkeit der Wissenschaft von ihren wirtschaftlichen Geldgebern. Wissenschaftliche Erkenntnis laufe mehr denn je Gefahr, durch außerwissenschaftliche Interessen und anonyme Machtzirkel instrumentalisiert zu werden.

Als Projektionsfläche für diese Kritik dient nach wie vor das Humboldt’sche Universitätsmodell mit seiner Hervorhebung von Autonomie und Uneigennützigkeit der scientific community. Demzufolge ist der wissenschaftliche Selbststeuerungsprozess vorrangig der vorurteilslosen Wahrheitssuche verpflichtet. Ursprünglich zur Abwehr gegen die Einmischungen von Kirche, Wirtschaft und Staat konzipiert, erfährt der Sonderstatus wissenschaftlicher Erkenntnis hierin seine tiefste Legitimation. Über

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zwei Jahrhunderte verteidigte die traditionelle Wissenschaftstheorie diese Position, wofür der kritische Rationalismus von Popper (2005) sowie – auf soziologischer Seite – Mertons funktionalistische Wissenschaftstheorie (1973; 1985) als typische Beispiele angeführt werden können, die beide den Einfluss nicht-wissenschaftlicher, sozialer Faktoren auf den Relevanz- und Geltungsbereich der Erkenntnis weitgehend ignorierten.

Inwieweit jedoch in der vom Arbeitgeber dominierten Industrieforschung noch von selbstbestimmter Wissenschaft gesprochen werden kann, ist umstritten (vgl. Weingart, 2003, S. 105 ff.). Bereits Barnes und Dolby (1973, S. 266) stellten fest, dass Merton und seine Schüler dazu tendierten, die Normen und Werte des Wissenschaftsethos verstärkt auf den Bereich der universitären Grundlagenforschung zu konzentrieren. Die Wissenschaft sei längst keine homogene Institution mehr, die sich durch einheitliche Regeln auszeichne. Zudem unterläge auch das wissenschaftliche Regelwerk dem sozialen Wandel, wie sich unschwer anhand der Wissenschaftsgeschichte aufzeigen ließe (S. 274 ff.).

Trotz der gewachsenen Heterogenität und Funktionalisierung kann die Wissenschaft dennoch idealtypisch in ein inneres, eigenen Gesetzen unterliegendes und in ein äußeres, gesellschaftlichen Interessen unterliegendes System unterteilt werden, die im wissenschaftlichen Alltag in den unterschiedlichsten Mischungen und Gewichtungen miteinander verkoppelt sind (Bühl, 1974, S. 30 ff., 65 ff.). So dürfte auch künftig eine tendenziell freie, selbstbestimmte Wissenschaft eher in der Grundlagenforschung an den Universitäten und Max-Planck-Gesellschaften anzutreffen sein, eine tendenziell unfreie, fremdbestimmte Wissenschaft hingegen eher in den bio-chemischen und mikro-technologischen Forschungslaboratorien der Großindustrie, während die universitäre Anwendungsforschung dazwischen anzusiedeln ist. Inwieweit der derzeitige kommerzielle Schwenk der Hochschulen sich jedoch dauerhaft in einer stärker instrumentellen Kolonisierung und Kapitalisierung ihrer traditionell idealistischen Organisationsstrukturen niederschlagen wird, ist gegenwärtig, trotz des scheinbar eindeutigen Trends, keineswegs entschieden.

2.3  Dezentralisierung

Das rasante Größenwachstum der Universität in der Postmoderne ging mit einer forcierten Expansion und zunehmenden Subdifferenzierung der wissenschaftlichen Disziplinen einher. Die Spezialisierung, Abgrenzung und paradigmatische Kanonisierung der Wissenschaft wiederholte sich damit im Binnenbereich der wissenschaftlichen Disziplinen. Die Heterogenität und Bandbreite der in ihnen anzutreffenden wissenschaftlichen Begriffe, Theorien und Methoden nahm dadurch beträchtlich zu, gleichzeitig wuchs insbesondere bei verwandten Disziplinen im Randbereich ihrer disziplinären Matrix die gegenseitige Durchdringung und Verflechtung bis hin zur ambivalenten Unentscheidbarkeit (vgl. Welsch, 1998, S. 89 ff.). Das Resultat ist eine

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dezentrale, vielfach zerklüftete und dynamisch fortschreitende Binnendifferenzierung der modernen Universität, die schon Schelsky (1971, S. 202, 205 ff.) im grundsätzlichen Widerspruch zu Humboldts Einheitsmodell sah.

Dennoch tendierten vor allem Geisteswissenschaftler dazu, an der philosophischen Einheitssynthese der Wissenschaften festzuhalten. Kritiker hingegen stuften die Rückwendung zur alten, letztlich im klassischen Ganzheitsideal verankerten Universitätsverfassung zunehmend als unrealistisch ein. Zukunftsweisende Leitbilder für eine neue Universität in einer neuen Gesellschaftsordnung seien vielmehr zu entwickeln, die sich vom Willen zur fortschrittlichen Universitätsreform und nicht durch Verharren im Status quo leiten lassen sollten.[1] Gemessen an diesem Anspruch gilt heute für die meisten Wissenschaftstheoretiker, dass sie die Re-Integration der pluralen Wissenschaftsdisziplinen nur noch partiell und zeitlich befristet in Form von interdisziplinären Forschungsprojekten für möglich halten. Häufig fehlen für derartige Vorhaben jedoch das Verständnis und die Bereitschaft der Disziplinen, obgleich der wissenschaftliche Fortschritt oftmals gerade zwischen dem Wissenskorpus der tradierten Fächer liegt (vgl. Hägele, 1996, S. 137 ff.).

Dies erklärt, warum bis in die 1990er Jahre die disziplinäre Gliederungsstruktur der Universität dominant blieb. Allmählich setzte jedoch ein Umdenken ein, das in der Forderung gipfelte, transdisziplinäre Grenzüberschreitungen seien zur Lösung der komplexen, vielfach miteinander vernetzten postmodernen Lebensprobleme unverzichtbar (Mittelstrass, 1997 b, S. 212 f.). Interdisziplinarität erlangte nicht nur den Status eines häufig zitierten Modeworts, sondern erfuhr wissenschaftspolitisch durch die einsetzende Förderung kooperativer Forschungsanträge und Sonderforschungsbereiche wachsende Bedeutung. Mittlerweile scheint interdisziplinäre Zusammenarbeit an der Universität fest etabliert zu sein. Zumindest sah sich der Wissenschaftsrat (2005, S. 78) genötigt, seine noch 1994 formulierte skeptische Grundhaltung zu dieser Thematik zu revidieren. Oftmals wird an die fachübergreifende Kooperation der Disziplinen jedoch eine ähnlich verkürzte Heilserwartung gerichtet wie an die philosophische Einheitssynthese. In den allermeisten Fällen findet erfolgreiche Projektforschung jedoch eher additiv-multidisziplinär sowie zwischen verwandten Disziplinen statt, während bei Vorhaben über die Disziplinblöcke hinweg die Schwierigkeiten eskalieren.

Die zunehmende Subdifferenzierung der Wissenschaft löste in den letzten Jahren zudem einen Trend zur Profil- und Schwerpunktbildung an den deutschen Universitäten aus. Wissenschaftspolitisch wurde nicht nur die Bündelung kleiner (geisteswissenschaftlicher) Fächer an einem oder mehreren Standorten gefordert (Wissenschaftsrat,

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2005, S. 63 ff.), sondern vor allem der regionale Verbund strukturell sich ergänzender Hochschulen.[2] Der Abschied von einer möglichst viele Disziplinen umfassenden Gesamthochschule orientiert sich dabei weniger an der Exzellenz einiger herausragender Elite- und vieler mittelmäßiger Universitäten wie im amerikanischen Hochschulsystem, sondern verfolgt zumindest dem Anspruch nach den Verbund qualitativ gleichwertiger profil- und schwerpunktdifferenzierter Universitäten (vgl. Mittelstrass, 1997 b, S. 214 f.).[3]

Zur Entlastung der zur Hyperdifferenzierung tendierenden Massenuniversitäten sowie zur Stärkung universitärer Forschung forderte Mittelstrass (1994, S. 15 ff.) ferner die Auslagerung vieler primär praktischer Wissenschaftsdisziplinen an die Fachhochschulen und führte unter anderem die Ingenieur-, Sprach- und Medienwissenschaften als Beispiele an. Durch die Beschlüsse von Bologna und die Europäisierung der Studiengänge wurde jedoch vollzogen, wogegen Mittelstrass sich ausgesprochen hatte: die Zweiteilung des Universitätsstudiums in einen eher praxis- und berufsbezogenen Teil (Bachelor) und einen eher wissenschaftlichen Teil (Master). Die Befürworter dieser Entwicklung sehen in der Modularisierung der Studiengänge die Chance, das Studium zu straffen, die hohen Studienabbruchquoten insbesondere in den Geisteswissenschaften zu senken und der theorielastigen Lebensferne in einigen Studiengängen vorzubeugen. Die Gegner hingegen befürchten eine unverhältnismäßige Verschulung, Bürokratisierung und kreditpunktfixierte Entwissenschaftlichung des Universitätsstudiums und stellen Parallelen zum dumpfen Pauk- und Repetierstudium an den Hochschulen des 18. Jahrhunderts her. Dass diese Vorwürfe nicht ganz unbegründet sind, belegen die anhaltenden Studentenproteste sowie die zunehmende Bereitschaft von Hochschule und Politik, eine Kurskorrektur der Bologna-Beschlüsse in Angriff zu nehmen.

3  Die Geisteswissenschaften

3.1  Primat der philosophischen Fakultät

Die Humboldt’sche Universitätsreform weist mit der derzeitigen Struktur-Debatte insofern Parallelen auf, als auch um 1800 Erwägungen angestellt wurden, ob und inwieweit das Fachschulprinzip das überalterte Universitätswesen ersetzen sollte (vgl. Frühwald, 1991, S. 90). Dass aus der Grundsatzdiskussion zwischen Fichte, Schelling,

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Schleiermacher und Humboldt schließlich die philosophische Fakultät als Sieger hervorging, ist insbesondere auf die Streitschrift von Kant (1995) zurückzuführen. Darin klagt dieser die Führungsrolle der „unteren“, philosophischen Fakultät gegenüber den drei „oberen“ Fakultäten Theologie, Medizin und Jura ein und begründet dies mit der selbstverantwortlichen und vernunftgeleiteten Wahrheitssuche der unteren gegenüber der nutzengesteuerten und regierungsabhängigen Funktionalität der oberen Fakultäten (S. 21 ff.). Die reine, zweckfreie Gelehrsamkeit wird damit bei Kant über die berufsbezogene Geschäftigkeit gestellt, der er nur den „zweiten Rang“ (S. 34) zubilligt. Mehr noch, mit der Vernunft als „Richter“ (S. 40 f.) wird der unteren Fakultät gar das Recht eingeräumt, mit den oberen Fakultäten um des Wahrheitsgehalts ihrer Aussagen willen einen nicht enden wollenden Streit zu führen (S. 39 ff.), der gleichwohl dem  „gemeinschaftlichen Endzweck“ (S. 43) beider Parteien dient.

Auf dieser Legitimationsbasis wurde der philosophischen Fakultät an der Humboldt’schen Universität die uneingeschränkte Leitfunktion zugesprochen, während die vormals oberen Fakultäten (als Ausbildungsstätte für Beamte) an Bedeutung einbüßten (vgl. Mittelstrass, 1997 a, S. 19). Ihr oblagen nicht länger nur propädeutische Aufgaben wie an der mittelalterlichen Universität, vielmehr avancierte sie zum universitären Zentrum schlechthin. Damit obsiegte die reine, zweckfreie Wahrheitssuche über die praktische, anwendungsorientierte Berufsausbildung (vgl. Jauß, 1991, S. 46). Zwar berücksichtigten auch die Hochschulreformer jener Zeit die Förderung praktischer Fertigkeiten, dennoch blieb die Suche nach allgemeingültigen Gesetzen und Letztbegründungen allen anderen Wissenschaftsaufgaben vorgeschaltet.

Spätestens nach Hegels Tod (1831) löste die um sich greifende Disziplinen-Differenzierung einen Bedeutungsverlust der Philosophie aus, der bis heute anhält. Hinzu kam die Hinwendung der Wissenschaft zu Empirismus und Positivismus. Dadurch gerieten metaphysische Fragestellungen immer stärker ins Hintertreffen bzw. wurden – wie beim Wiener Kreis (um Carnap) sowie neuerdings bei den Postmodernisten (um Lyotard) – generell verworfen. Für Jauß (1991), Frühwald (1991) und andere ist die Philosophie heute nur noch eine geisteswissenschaftliche Spezialdisziplin neben anderen – mit Logik, Ethik, Ästhetik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sowie, bedingt, Metaphysik und Ontologie als den noch verbliebenen Spezialgebieten. Andererseits konnten sich viele ihrer Vertreter von der Größe vergangener Tage nie ganz lösen und beanspruchen einen längst verfallenen Sonderstatus, den sie mit ihrer überkommenen Integrations- und Leitfunktion sowie damit begründen, für Grundsatzfragen des Menschenbildes und des Lebenssinns besonders prädestiniert zu sein.

3.2  Vom Geist zur Kultur

Dem Niedergang der Philosophie folgte Mitte des 19. Jahrhunderts der Aufstieg der Geisteswissenschaften (humanities). Den Naturwissenschaften gegenüber beanspruchten sie, die wahren Erben und Statthalter des humanistisch-idealistischen

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Gedankenguts zu sein. In den sich konstituierenden philologischen und historischen Disziplinen erlangte der Geist (pneuma; spiritus; mind) eine herausragende Bedeutung, während Natur, Gefühl und Praxisbezug in die Rolle des Trivialen und Sekundären abgedrängt wurden. Mit Gründung der deutschen Nation (1871) beanspruchten die Geisteswissenschaften zudem, die wahren Verteidiger nationaler Interessen zu sein, was zum nationalsozialistischen Extremismus einen Gutteil beitrug (vgl. Wissenschaftsrat, 2005, S. 11). Weniger die Zukunft der Gesellschaft stand seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Zentrum geisteswissenschaftlicher Reflexionen, als vielmehr die Bewahrung von Tradition und Status quo im Wilhelminischen Deutschland.

Nachhaltige Veränderungen im Selbstverständnis der Geisteswissenschaften löste erst die Industrialisierungswelle um 1900 aus. Die hierdurch bedingte Anwendungsorientierung hatte die Herauslösung der Soziologie aus der Philosophie zur Folge. Damit wurde eine zumindest ideelle Trennung von Geistes- und Sozialwissenschaften eingeleitet, die in der Abkehr vom deutschen Idealismus durch Comte, Simmel, Durkheim und M. Weber bestand und sich in deren Hinwendung zu soziokulturellem Selbst und positivistischen Forschungsmethoden manifestierte (mit den ersten empirischen Sozialstudien als Resultat). Zwar versuchte auch Dilthey (1958, S. 146 ff.; 1960, S. 78 ff.) mit seiner Aufwertung des sinnlichen und individuellen Erlebens sowie seiner Bestimmung der Kulturgeschichte als Abfolge konstituierter menschlicher Objektivationen, die metaphysischen Traditionen in den Geisteswissenschaften zu überwinden, gleichwohl bewiesen die „Metaerzählungen des Geistes“ (Lyotard) bis heute und trotz aller Kritik ein erstaunliches Beharrungsvermögen. Mit seiner Dichotomisierung von geisteswissenschaftlich verstehender, idiographisch-weicher Methode und naturwissenschaftlich erklärender, nomothetisch-harter Methode schuf Dilthey (1957, S. 139 ff.) jedoch gleichzeitig eine Zwei-Welten-Front zwischen den Disziplinblöcken, die in der Vergangenheit zu den heftigsten Auseinandersetzungen Anlass gab. Begünstigt durch die Schubkraft des industriellen Wandels und trotz des erbitterten Widerstandes durch die Geisteswissenschaften gelang den naturwissenschaftlich-technischen Instituten in Deutschland schließlich doch die formale Gleichstellung mit den Universitäten unter Zuerkennung des Promotionsrechts (vgl. Weingart, 1975, S. 411 f.).

Zwischen 1920 und 1970 nahm der Praxisbezug der Geisteswissenschaften zwar merklich zu, gleichzeitig blieb jedoch eine gewisse Reserviertheit den Herausforderungen der Moderne gegenüber unverkennbar. Es verwundert daher nicht, dass die meisten geisteswissenschaftlichen Disziplinen einer historisch-philologischen Forschungsausrichtung verpflichtet blieben. Erst die Unruhen der 1968er Kulturrevolution lösten eine nachhaltige Kritik am überkommenen Traditionalismus aus und gipfelten in der Forderung nach stärkerer gesellschaftlicher Relevanz des geisteswissenschaftlichen Studiums (vgl. Jauß, 1991, S. 68 ff.). Mehr noch, unter dem Führungsanspruch von Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaften sowie durch Rückgriff auf eine radikale marxistische Kapitalismuskritik vermochten die Geisteswissenschaften für kurze Zeit, ihre wissenschaftliche Vorrangstellung zu erneuern, ohne

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jedoch den unaufhaltsamen Aufstieg der Naturwissenschaften im einsetzenden Informationszeitalter verhindern zu können.

3.3   Bildung und Ausbildung

Die überragende Bedeutung der Bildung im Humboldt’schen Universitätskonzept lässt sich nur aus den sich überschneidenden Einflussgrößen von neuhumanistischer Renaissance, idealistischer Aufklärung, den Freiheitspostulaten der Französischen Revolution sowie dem unaufhaltsamen Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert erklären. Im Verbund von humanistischem Gymnasium und autonomer Hochschule sowie fernab störender gesellschaftlicher Einflüsse sollte der Zögling zum selbstkritischen Individuum und aufgeklärten Citoyen erzogen werden. Weniger Rousseaus Zurückgeworfensein auf die natürliche Erziehung (seines Emile) stand hierbei Pate als der sokratische Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden auf der Basis der engen Verkopplung von Lehre und Forschung (Jauß, 1991, S. 63). Durch die Freiheit uneingeschränkten Denkens sollte eine wissenschaftliche Geistesaristokratie geschaffen werden, die die reine Wahrheitssuche des Forschenden mit der moralischen Selbstvervollkommnung seiner Person vereint. So gesehen verkörperte die Humboldt’sche Zweieinheit von Wissenschaft und Bildung einen hohen Moralanspruch, gleichzeitig wurde jedoch ein großbürgerlich-philologischer Bildungskanon überfavorisiert, der die technisch-naturwissenschaftliche Intelligenz und die „ungebildete“ Arbeiterschaft von vornherein benachteiligte.

Es verwundert daher nicht, dass die Naturwissenschaftler und Ingenieure von Beginn an als die heftigsten Kritiker des Humboldt’schen Bildungsbegriffs auftraten. Mit zunehmender Industrialisierung wird für sie die einseitige Fixierung auf Geschichte, klassische Sprachen, Kunst und Literatur immer unzeitgemäßer, behindere gar den technisch-praktischen Fortschritt (vgl. Frühwald, 1991, S. 77, 103). Verhängnisvoller wirkte sich jedoch die generelle Hinterfragung der Humboldt’schen Gleichsetzung von (Persönlichkeits-)Bildung und Wissenschaft aus, die im 20. Jahrhundert durch den allmählichen Niedergang des Großbürgertums, die demokratischen Nivellierungsprozesse an Schule und Hochschule sowie nicht zuletzt durch die wachsende Berufs- und Ausbildungsorientierung der Wissenschaft an Gewicht und Bedeutung gewann. Für viele Kritiker scheint Bildung heute kein Ziel und keine Aufgabe der Universität mehr zu sein, zumal ein integrativ-ganzheitlicher Bildungsansatz, wie ihn die Gründungsväter vertraten, durch die unaufhaltsame soziale Differenzierung der modernen Gesellschaft immer unrealistischer wurde (vgl. Frühwald, 1991, S. 73 f., 99 f.).

Doch selbst wer heute die Universität – mit Verweis auf die Gefahren normativer Bildung – auf die Ausbildung wissenschaftlichen Fachpersonals beschränken möchte, und dies mit der generellen Inkommensurabilität von Wahrheit und Sittlichkeit unterstreicht (Luhmann, 1990, S. 309, 593 f.), wird nicht umhin können, den zumin-

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dest impliziten Bildungscharakter jeder Hochschulausbildung anzuerkennen. Zwar mag auferlegte Selbstvervollkommnung durch Wissenschaft ein Anachronismus sein, dennoch vermittelt jedes Studier- und Forschungsumfeld ein bestimmtes Menschenbild auf der Basis spezieller Werte, Normen und Verhaltenserwartungen, dem sich der Einzelne nicht entziehen kann. Selbst bei der Beschränkung auf die reine, universitäre Handwerklichkeit kann ein spezifisches Bildungspotential nicht verhindert werden, das durch die Vielzahl an Methoden, Theorien und Begriffen je unterschiedlich ausfällt, ganz zu schweigen vom Berufsethos, das die Handlungen der wissenschaftlichen Akteure unwillkürlich mitbestimmt. Implizite Hochschulbildung schließt daher die Diskussion über die zugrundeliegenden Ausbildungsinhalte keineswegs aus, sondern erfordert sie unter postmodernen Vorzeichen dringlicher denn je. Der anhaltende Disput, ob die starke Tendenz zur Verschulung bei den derzeitigen Bachelor- und Masterstudiengängen in Deutschland dem Geist von Bologna widerspricht oder eine generelle Revision der europäischen Rahmenrichtlinien erforderlich ist, hat daher immer auch Auswirkungen auf die je spezifische implizite Bildungsfunktion der Hochschule.

3.4  Legitimationsprobleme

Seit den 1980er Jahren wird das Selbstverständnis der Geisteswissenschaften durch eine Hochschulpolitik erschüttert, die einerseits auf staatlichen Sparmaßnahmen beruhte, andererseits höhere Effizienz und soziale Relevanz des Studiums einklagte. Dadurch wurden strukturelle Veränderungen ausgelöst, wie die Einführung umfassender Evaluationsverfahren, eine stärker auf Drittmittel ausgerichtete Forschung sowie Forderungen nach Vernetzung und kooperativer Zusammenarbeit, die auf die spezifischen Belange der Geisteswissenschaften wenig Rücksicht nahmen. Eine vom Kosten-Nutzen-Denken geprägte Kritik bemängelte vor allem die geringe Strukturiertheit und Berufsrelevanz vieler geisteswissenschaftlicher Studiengänge. Die hohe Studienabbruch- und Arbeitslosenquote besonders in den Sprach- und Kulturwissenschaften zeuge hiervon. Wie bei den mittelalterlichen artes liberales sei daher ein größerer Könnens- und Praxisbezug dringend erforderlich. Zwar könnten sich die Geisteswissenschaften nach wie vor zu den beliebten Studienfächern zählen, dennoch rechtfertige dies nicht deren übertriebene Theorie- und Traditionsbindung. Die naturwissenschaftlich-technologischen Stellenumwidmungen vieler geisteswissenschaftlicher Lehrstühle seien daher durchaus gerechtfertigt, zumal ein seit Jahrzehnten aufgebauter Stellenüberhang in den Geisteswissenschaften bestehe. Richtig ist aber auch, dass sich dadurch die Studentenbetreuungsrelation in den Geisteswissenschaften spürbar verschlechtert hat (Wissenschaftsrat, 2005, S.19 ff.).

Der wissenschaftspolitische Rechtfertigungsdruck löste bei den Geisteswissenschaftlern jedoch nicht nur Verunsicherung, gar Resignation aus. Viele reagierten vielmehr mit harschen Gegenreaktionen und teilweise polemischen Stellungnahmen. Eine herausragende Bedeutung erlangte dabei der seit Jahren geführte Disput im Feuilleton

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namhafter deutscher Tages- und Wochenzeitungen. Gestärkt wurden geisteswissenschaftliche Positionen außerdem durch die „Empfehlungen“ des Wissenschaftsrats (2005) und seiner Verkündung eines „Jahres der Geisteswissenschaften“ (2007) sowie durch eine Flut von Publikationen.

Die Positionierungen und Erwiderungen der Geisteswissenschaftler lassen allerdings kein einheitliches Meinungsbild erkennen. Gemeinsamer Bezugspunkt war dennoch die Frage nach der Praxis- und Berufsrelevanz der geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Gemäß der heterogenen Wissenschaftsprofile und Aufgabenfelder der mittlerweile ca. 96 geisteswissenschaftlichen Fächer und Disziplinen fielen die Antworten jedoch recht unterschiedlich aus.[4] Doch auch die Anhänger einer zweckfreien Geisteswissenschaft müssen mittlerweile eingestehen, dass in Deutschland allein im Kulturbereich jährlich ca. 35 Milliarden Euro erwirtschaftet werden. Viele geisteswissenschaftliche Disziplinen bereiten zudem unmittelbar auf pädagogische, sprachliche, künstlerisch-musische und soziale Berufe vor und vermitteln ein vielfältiges Wissen in Geschichte, Ökonomie, Psychologie und Staatswesen. Der Wissenschaftsrat (2005, S. 13) sieht daher die Zukunft der Geisteswissenschaften durchaus in einer die Gesellschaft mitkonstituierenden Forschung begründet. Andererseits sind formaler Gegenstand und Berufsziel in vielen geisteswissenschaftlichen Disziplinen weniger klar definiert als in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, weshalb ihre Lehrinhalte zwangsläufig durch mehr Offenheit und hermeneutische Interpretation, aber auch durch mehr Vagheit und Unübersichtlichkeit gekennzeichnet sind. Trotz seines Bekenntnisses zur Anwendung hält der Wissenschaftsrat (2005, S. 84 f.) jedoch die Beschränkung der Geisteswissenschaften einzig auf das Nutzenkalkül für eine verhängnisvolle Fehlentwicklung. Als Spezifikum ihres Gegenstandsbereichs und wider jede praktische Vereinseitigung müssten sie vielmehr in gleicher Weise ihrem kreativ-schöpferischen Potential verpflichtet bleiben.

In jüngster Vergangenheit hat sich ferner gezeigt, dass zur Beurteilung der geisteswissenschaftlichen Leistungen spezifische Bewertungsmaßstäbe erforderlich sind, die deren originären Strukturen und Belange besser berücksichtigen. So zählt die individuelle Forschung in den Geisteswissenschaften nach wie vor zu ihrer tragenden Säule. Die Propagierung kollektiver Vernetzung, die vor allem für viele naturwissenschaftliche Forschungsprojekte unentbehrlich ist, sollte daher nicht zur Benachteiligung, gar Diskreditierung forschender Einzelexzellenz in den Geisteswissenschaften führen.[5] Zum Nachteil der Geisteswissenschaften spielen darüber hinaus Drittmittel bei Evaluationsverfahren eine immer größere Rolle. Da diese jedoch bei der Beurteilung der Forschungsqualität in vielen geisteswissenschaftlichen Disziplinen eine eher periphere Bedeutung zukommt, ist eine vorrangig auf diese ausgerichtete Leistungsermittlung

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als problematisch einzuschätzen (vgl. Wissenschaftsrat, 2005, S. 47). Nachhaltiger als bisher sollten die Geisteswissenschaften daher auf die Entwicklung fachspezifischer Evaluations- und Leistungskriterien einwirken, die die Relevanz publikationsbezogener Bewertungsverfahren stärker als bisher zur Geltung bringen (S. 49 f.).

Ungewohnt für die Geisteswissenschaften in Deutschland ist auch die Rolle des undankbaren Zweiten, die sie fast zwei Jahrhunderte den Naturwissenschaften zugedacht hatten. Den Verlust an Bedeutung, Prestige und Einfluss werden sie allerdings nicht durch Verweis auf die großen Erfolge in der Vergangenheit oder durch das hohe Ansehen im Ausland kompensieren können, sondern nur durch qualitative Forschungsarbeit: im Wettstreit mit den Naturwissenschaften. Handikap hierbei ist, dass der Nutzen geisteswissenschaftlicher Forschung in der Öffentlichkeit meist weniger eindeutig nachvollziehbar ist als die naturwissenschaftlich-technologischen Erfindungen (Gülzow, 2008, S. 40 ff.). Aus diesem Grund hält Schavan (2007, S. 462 ff.) die Darstellung und erhöhte „Sichtbarkeit“ geisteswissenschaftlicher Forschung für eine unverzichtbare Notwendigkeit, während andere das Einnisten der Händler im Tempel der Geisteswissenschaften als verhängnisvolle Fehlentwicklung interpretieren – mit unabsehbaren Folgen.

4  Die Sportwissenschaft(en)

4.1  Einheit in der Vielfalt

Die Konstituierung der Sportwissenschaft(en) in den späten 1960er Jahren erfolgte weitestgehend unter dem Einfluss des klassischen Humboldt’schen Universitätsideals. Auslöser für ihre Institutionalisierung war die wachsende soziale Bedeutung insbesondere des Hochleistungssports (mit München 1972 als Prestigeobjekt), was die Politik veranlasste, sie gegen den Widerstand vieler Hochschullehrer zu etablieren (vgl. Grupe, 1987, S. 30 ff.). Das von Anfang an hohe Integrationsbedürfnis der Sportwissenschaft lässt sich einerseits aus den philosophisch-pädagogischen Wurzeln ihrer Gründungsväter erklären, die primär der Sportpädagogik und der Sportlehrerausbildung verpflichtet waren und in der Theorie der Leibeserziehung das integrativ-verbindende Element sahen (vgl. Grupe, 1965, S. 22 ff.). Andererseits verhinderten ihre starke Praxisausrichtung sowie die Bündelung der Teildisziplinen in sportwissenschaftlichen Instituten von vornherein deren (mögliche) mutterwissenschaftliche Anbindung. Nicht zufällig erlangte dadurch das dreistufige Integrationsmodell von Ries & Kriesi (1979, S. 115 ff.) eine herausragende Bedeutung, das nach der Abspaltung der sportwissenschaftlichen Teildisziplinen von ihren Mutterwissenschaften und einer Phase der kumulativen Addition – zumindest langfristig – eine integrative Vereinigung für möglich hielt. Die Proklamation der Sportwissenschaft im Singular erwies sich unter diesen Umständen als ebenso konsequent wie die Herausgabe der Fachzeitschrift „Sportwissenschaft“ (seit 1971) als gemeinsamem Publikationsorgan, der

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fünf Jahre später (1976) die Gründung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) als disziplinübergreifender scientific community folgte.

Doch wie das philosophische Einheitsideal der Humboldt’schen Universität mehr Hoffnungen weckte als es in Wirklichkeit einlösen konnte, sah sich das sportwissenschaftliche Integrationsmodell von Anfang an starken zentrifugalen Kräften ausgesetzt. So stellte Grupe (1987, S. 46 f.) bereits 10 Jahre nach Gründung der dvs fest, dass die ursprünglichen Erwartungen hinsichtlich Einheit und Geschlossenheit der Sportwissenschaft sich nicht erfüllt hätten, eher ließen sich gegenteilige Tendenzen feststellen. Zwar versuchte Kurz (1990; 1991; 1992) noch Anfang der 1990er Jahre – in appellativer Manier und unter pädagogischem Primat – sich gegen den unaufhaltsamen Zerfall der Sportwissenschaft als integrativer Diskursgemeinschaft zu stemmen. Dennoch musste auch er 15 Jahre später anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der dvs (2006) eingestehen, dass ganzheitlich-holistische Einheitshoffnungen nach dem Vorbild des idealistisch-philosophischen Weltbildes sich nicht länger aufrechterhalten ließen (Kurz, 2007, S. 69 ff.).

Auch die Sportwissenschaft musste damit Tribut an die um sich greifende Postmodernisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse zahlen. Nicht länger das Einheitsideal, sondern das Vielheits-Paradigma erlangte wachsende Bedeutung. Lyotards „Intellektuellen-Kritik“ (1985, S. 10 ff.) basiert hierauf, welche sich gegen all jene Vertreter der geistigen Zunft richtete, die nach wie vor vom Standpunkt der Menschheit, der Kreatur, des Volkes, des Proletariats oder auch einer Sportwissenschaft aus argumentierten. Legitimation konnte diese Sichtweise nur solange beanspruchen, als ein antiker, theokratischer oder transzendentaler Essenzialismus (Platons Ideenwelt, der göttliche Kosmos oder Kants Vernunftsubjekt) die Erkenntnisbasis bildeten. Postmoderne Wissenschaftstheorien hingegen verwerfen die Existenz ewiger, präexistierender Gesetzmäßigkeiten (euklidische Geometrie; klassische Mechanik) und betonen stattdessen den Relativismus und die soziokulturelle Kontextgebundenheit jedweder Erkenntnis. Mit der Propagierung einer Diskursgemeinschaft und einer sportwissenschaftlichen Theorie musste die Sportwissenschaft daher in Schieflage geraten, versuchte sie doch unter postmodernen Vorzeichen an eine Tradition anzuknüpfen, an der das Humboldt’sche Universitätsmodell bereits gescheitert war. Drexels radikale Verneinung jeglicher sportwissenschaftlichen Einheits-Ideologie – einschließlich jener der Interdisziplinarität – setzt hier an (2002, S. 235 ff.). Postmodernistisch beeinflusst ist aber auch die Kritik von Willimczik (2001, S. 109 ff.) an den – seiner Meinung nach – vorherrschenden metaphysisch-ontologischen Wesensaussagen zum Begriff des Sports.[6]

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Konträr zum sportwissenschaftlichen Einheitspostulat wirkte sich zum einen die enorme Komplexitätssteigerung und (Ent-)Differenzierung des sportlichen Handlungsfeldes aus. Nicht nur, dass der traditionelle Leistungs- und Wettkampfsport durch den Trend- und Erlebnissport sowie den Fitness- und Gesundheitssport relativiert wurde. Hinzu kamen eine tiefgreifende Medialisierung, Ökonomisierung und Globalisierung seiner Strukturen, die den profitablen kommerziellen Sport neben dem idealistischen Vereinssport institutionalisierte. Seit Mitte der 1980er Jahre löste diese Entwicklung in der Sportwissenschaft grundlegende Umstrukturierungen aus, die zum einen die Etablierung neuer Teildisziplinen wie Sportökonomie und Sportpublizistik zur Folge hatte. Auf Kosten der dominanten Sportlehrerausbildung erfolgte zum anderen eine berufsbedingte Differenzierung des Lehrangebots in unterschiedlichen Studiengängen. Und die sportwissenschaftliche Forschung wandte sich verstärkt Problemstellungen zu, die zu einer Entgrenzung ihres ursprünglichen Aufgabenfeldes führte. Der anhaltende Disput um die Ablösung des engen Begriffs der „Sportwissenschaft“ durch den weiten einer „Bewegungs- oder Körperwissenschaft“ seit Ende der 1990er Jahre ist die logische Konsequenz dieser Entwicklung (vgl. Digel, 2002, S. 5 f.; Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, 2000).

Konträr zum sportwissenschaftlichen Einheitspostulat wirkten sich zum anderen die universitären Rahmenbedingungen aus. Die Einbindung der sportwissenschaftlichen Institute in die Fakultätsstrukturen vor Ort förderte nicht nur den fachfremden Gedankenaustausch, sondern sorgte gleichzeitig dafür, dass die Teildisziplinen sich am allgemeinen Wissensstandard ausrichten mussten. Ferner verhinderte die zumindest ideelle Anbindung der Teildisziplinen an den Wissenskorpus ihrer Mutterwissenschaften nicht nur deren Abgleiten zu isolierten Branchen- und Orchideenfächern (Heckhausen, 1979, S. 52), sondern bestärkte gleichzeitig vor allem mutterwissenschaftlich ausgebildete Sportwissenschaftler darin, ihre geistige Heimat außerhalb der Sportwissenschaft zu suchen. Darüber hinaus sorgte die disziplinäre Gliederungsstruktur der Universität dafür, dass die fachspezifische scientific community mit ihren Tagungen, Publikationsorganen, Kommunikationsnetzen und selektiven Karrieremustern jede übertriebene Einheitsforderung zunichtemachte. Obendrein wird der gegenwärtige universitäre Auf- und Umbruch mit seinen hochschulpolitischen Forderungen nach Profil- und Schwerpunktbildung, inner- und außerwissenschaftlicher Vernetzung, Drittmittelreputation und Nutzenkalkulation die zentrifugalen Tendenzen in der Sportwissenschaft eher noch verstärken, als dass überzogene Einheitsträume aus der Gründerzeit jemals wahr werden könnten. Ganz zu schweigen von den um sich greifenden Forschungskooperationen mit den nicht-sportwissenschaftlichen Fachdisziplinen, von denen sich die Sportwissenschaftler mehr Erfolg und Reputation, vor allem aber mehr Drittmittel erhoffen.

So sehr das postmoderne Vielheits-Paradigma jedoch ontologische Entitäten in Verruf brachte, so wenig können Lyotards (1987, S. 262 ff.) und – in dessen Nachfolge – Drexels (2002, S. 243) generelle Verwerfungen von Einheit und Ganzheitlichkeit

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akzeptiert werden. Die Bejahung von Dissens, Paralogie und Chaos beinhaltet nicht notwendigerweise den Ausschluss von Konsens, Ordnung und systemischer Struktur. Stattdessen muss von einem dialektischen Wechselspiel beider Größen ausgegangen werden (eine Erkenntnis, die seit Gödels Unvollständigkeitstheorem auch in Logik und Physik wachsende Akzeptanz gewann). Unter postmodernen Vorzeichen sind Identität und Integration allerdings nicht statisch vorgegeben, sondern unterliegen der Gesetzlichkeit von Konstruktion und Formbarkeit. Vor allem aber werden Vielheit, Widersprüchlichkeit und Diachronie nicht einem universalistischen Totalitätsanspruch unterstellt, sondern zu einer multiplen Patchwork-Identität zusammengefasst, die sich sowohl durch eine fragile Kohärenz nach innen als auch durch eine relative Offenheit nach außen auszeichnet.[7] Für die Sportwissenschaft aber heißt dies, dass ihr Einheitspostulat auf dem stets revidierbaren Willensakt ihrer Mitglieder basiert, zumal von universitärer Seite keine zwingende Notwendigkeit hierfür besteht. Nur solange die sportwissenschaftlichen Teildisziplinen daher bereit sind, trotz anhaltender Diffusion, Separierung und Binnendifferenzierung, Sinn und Notwendigkeit im kooperativen Zusammenschluss zu sehen, wird die Rückführung ihrer Pluralität in die Singularität der Namensgebung von Erfolg beschieden sein. Auf Grund seines Komplexitätsgrades und seiner Widersprüchlichkeit kann mittlerweile auch die Berufung auf den Sport als gemeinsamem Materialobjekt nicht mehr ohne weiteres vorausgesetzt werden. Geschweige denn, dass die Sportwissenschaft als Integrationsbasis die seit Jahrzehnten erhofften bereichsspezifischen Theorien und Methoden vorweisen könnte. Nur solange daher auch künftig Gemeinsamkeit und Identität gepflegt werden, sei es durch die dvs als ausgewiesenem Interessenverband, durch disziplinübergreifende sportwissenschaftliche Kongresse oder auch durch die Bereitschaft der Teildisziplinen zu interdisziplinärem Dialog, nur solange besteht die (mittlerweile merklich schwächer gewordene) Gewähr dafür, dass die Sportwissenschaft nicht das Schicksal der früher so einheitsbewussten Geisteswissenschaften ereilt und sich in einer amorphen Vielfalt und Unübersichtlichkeit auflöst. Empfehlungen für ein identitätsstiftendes Kerncurriculum, wie sie im Memorandum zur Entwicklung der Sportwissenschaft (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, u.a., 2005, S. 4) vorgetragen wurden, helfen zwar holistische Erwartungen zu wecken. Gewöhnlich sorgt die Realität an den sportwissenschaftlichen Instituten jedoch dafür, dass derartige Absichtserklärungen eher konterkariert denn befolgt werden.

4.2  Theorie und Praxis

Der Sport teilt mit der Technik den starken Praxisbezug. Hinzu kommt eine eher anti-intellektuelle Hervorhebung von Körper, Sinne und Gefühl, was seinen Ausschluss aus der Humboldt’schen Universität über fast zwei Jahrhunderte mit erklärt. Zwar

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waren die Institute für Leibeserziehung in den 1950er und 1960er Jahren organisatorisch an die Hochschulen angegliedert, doch verfügten sie weder über Professorenstellen noch über das Promotions- und Habilitationsrecht. Strukturbedingt resultierte hieraus die fast ausschließliche Ausrichtung der Sportlehrerausbildung auf die Lehre sowie auf praktisches Können – mit Dominanz der Methodik und Didaktik der Sportarten sowie ersten Ansätzen einer Bewegungs- und Trainingslehre. Nicht die theoretische Durchdringung des Sports stand primär im Fokus des Interesses, sondern die körperliche Auseinandersetzung mit Technik und Training in Spiel, Leistung und Wettstreit.

Mit dem Erwerb des Wissenschaftsstatus in den 1970er Jahren wurden nicht nur die sportwissenschaftlichen Lehrstühle in Westdeutschland übereilt besetzt, vielmehr kam es auch zur Vermengung von traditioneller Lehr- und Praxisausbildung mit universitärer Forschungs- und Theorieverpflichtung. Damit wurde ein Konfliktpotential zwischen den (Mittelbau-)Praktikern und den mit Führungskompetenz ausgestatteten Theoretikern legalisiert, das in der Folgezeit, nicht zuletzt in den neuen Bundesländern, ein unbewältigtes Strukturproblem darstellte, das mit beidseitigen, oft unverhältnismäßigen Schuldzuweisungen belastet war, gleichwohl nicht selten verharmlost wurde. Aus ihrer praxisbetonten Vergangenheit wie auch aus dem Habitus ihres materialen Gegenstandes erklärt sich zudem der starke Anwendungsbezug der sich konstituierenden Sportwissenschaft. Primär wollte sie problemlösende task community und beratender Partner der Sportorganisationen sein und weniger eine an der Theoriebildung und Problemen der Grundlagenforschung ausgerichtete scientific community. Ähnlich wie die technischen Wissenschaften verfolgte sie – diametral zum Humboldt’schen Idealismus – eine vorwiegend auf Nützlichkeit ausgerichtete Forschungskonzeption mit der Konsequenz, dass sich spätestens in den 1980er Jahren das von Kurz (1990, S. 256 ff.) kritisierte, jedoch im allgemeinen Trend liegende naturwissenschaftlich-experimentelle Paradigma mit seinen quantitativ-statistischen Messverfahren und objektivierten Untersuchungsmethoden immer stärker durchsetzte.

Zweifellos konnte die Sportwissenschaft in den ersten beiden Jahrzehnten unbestreitbare Erfolge vorweisen, die sich quantitativ in einem sprunghaften Anstieg der Fachliteratur niederschlugen und qualitativ zur Festigung ihres Wissenschaftsstatus beitrugen. Ihre gewachsene Akzeptanz in und außerhalb der Universität konnte jedoch nicht über die strukturellen Mängel und Entwicklungsdefizite hinwegtäuschen, die Grupe (1987, S. 44 ff.) auflistete: So sei es nicht gelungen, das übernommene Personal (der Praktiker) hinreichend in die sportwissenschaftliche Forschungsarbeit einzubinden. Zum anderen seien die großen, für den Sport bedeutsamen Forschungsprojekte nicht von Sport-, sondern überwiegend von Mutterwissenschaftlern wie Schlagenhauf, Neidhardt, Heinemann und Scheuch durchgeführt worden, die über die erforderlichen grundlagentheoretischen Kenntnisse sowie über das geeignete Personal verfügten. Vor allem hätten sich die ursprünglich hohen Erwartungen in die Beratungsfunktion der Sportwissenschaft nicht erfüllt, eher lägen beachtliche Einzelerfolge vor, die jedoch die bestehenden Vorbehalte der Sportverbände nicht beseitigen konnten.

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Zwanzig Jahre später, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, bezieht die Sportwissenschaft ihr Selbstverständnis nach wie vor aus ihrer Anwendungs- und Nutzenausrichtung. Durch den postmodernen Gesellschaftswandel begünstigt, profitieren die Teildisziplinen mittlerweile fast ausnahmslos von der inner- und außersportlich gestiegenen Nachfrage nach sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Zudem verfügt die Sportwissenschaft heute nicht nur über ein breiteres und solideres Fundament, sondern weist, mit Einschränkungen, ein generell anspruchsvolles Erkenntnisniveau auf. Im Memorandum wird der Sportwissenschaft gar bescheinigt, nicht länger nur einseitig von mutterwissenschaftlichen Theorien, Methoden und Erkenntnissen zu profitieren, vielmehr könne von einem reziproken Wissenstransfer ausgegangen werden, da teildisziplinäre Erkenntnisse verstärkt Eingang in den Wissenskorpus ihrer Mutterwissenschaften (allen voran die präventive Medizin) gefunden hätten (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, u.a., 2005, S. 5). Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass insbesondere die neu entstandenen Teildisziplinen über Arbeitsfelder verfügen, die eine hohe thematische Affinität mit ihren Mutterwissenschaften aufweisen. Die Besetzung dieser Stellen mit Mutterwissenschaftlern erfolgte daher unter sachimmanenten Gesichtspunkten und ging mit Umwidmungen ehemals genuiner sportwissenschaftlichen Stellen einher, die nicht nur Willimczik (1999, S. 23) als problematisch einstufte.

Deutliche Spuren hinterlassen hat auch die Ära der auf Effizienz ausgerichteten Drittmittelforschung. Eine Grundsatzdebatte wie in den Geisteswissenschaften fand in der Sportwissenschaft jedoch nicht statt. Allerdings finden sich im Memorandum zahlreiche utilitaristische Hinweise, so etwa, wenn gefordert wird, dass trotz aller vorzuweisenden Erfolge die Beratungskompetenz „intensiver und systematischer als bisher zu nutzen“ sei, oder auch, dass die sportwissenschaftlichen Erkenntnisse „außerhalb des Fachs deutlicher als bisher sichtbar“ gemacht werden müssten (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, u. a., 2005, S. 6 und 8). Die gewachsene Gefahr der Außensteuerung und wissenschaftsethischen Marionettisierung durch ihre bisweilen allzu große Nähe zu Sportfunktionären, wirtschaftlichen Auftraggebern und politischen Repräsentanten, generell zu den Finanziers ihrer Drittmittelprojekte, wurde hingegen nicht thematisiert. Für Digel (2002, S. 8) findet sich jedoch auch in der Sportwissenschaft eine wachsende Schar von lediglich am ökonomischen Output und an Opaschowskis Entertainment-Wissenschaft interessierten Forschern. Schwerwiegender für die künftige Entwicklung der Sportwissenschaft dürfte sich jedoch erweisen, dass eine am kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Drittmittelforschung nur allzu leicht Gefahr läuft, weniger qualitative Exzellenz als quantitativen Durchschnitt, weniger Grundlagenwissen als einen theoriearmen Empirismus zu fördern, der die Statistik zum Selbstzweck erhebt.[8]

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Zur Schlüsselfrage der Sportwissenschaft aber könnte werden, welche Rolle sie künftig dem praktischen Können zubilligen will. Denn ursprünglich von fundamentaler Bedeutung, gerät mittlerweile der praktische Vollzug durch den gewachsenen Theorie- und Wissenschaftsanspruch immer stärker in Bedrängnis. Zwar wird im sportwissenschaftlichen Memorandum für die grundsätzliche Beibehaltung der Theorie und Praxis des Sports mit je unterschiedlicher Gewichtung in den einzelnen Studiengängen plädiert (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, u.a., 2005, S. 4), doch nicht nur die Praktiker beklagen die seit Jahren anhaltende und mittlerweile an die Substanz gehende Tendenz zur Stundenkürzung auch in der praktischen Sportlehrerausbildung. Vergangenheitsorientiert erhofft Kurz (2007, S. 71 f.) von einem Sportwissenschaftler zwar immer noch, dass dieser gleichzeitig praktizierender Sportler, Trainer oder Funktionär ist, doch faktisch wurde der sportliche Vollzug in der Sportwissenschaft durch die veränderten Arbeitsfelder und durch das Vordringen der Mutterwissenschaftler zunehmend be- und verdrängt. Die veränderte Hochschullandschaft mit verschärftem Evaluationsdruck auf die Sportwissenschaft wird diese Tendenzen eher noch verstärken denn abmildern. Es bleibt daher die offene Frage, ob und inwieweit die herkömmliche methodisch-didaktische Fertigkeitsvermittlung auch in künftigen sportwissenschaftlichen Studiengängen eine noch hinreichende Resonanz finden wird.[9]

Die Gegner dieser Entwicklung berufen sich auf den sinnlich-ästhetischen Gehalt des Sports und stellen Vergleiche mit Musik und Kunst an, weshalb eine zu weit gehende Verkopfung der Sportwissenschaft unweigerlich in die Irre führen müsse. Die Ersetzung einer praktizierten Sport-Kunst durch eine abstrakte Sport-Science könne daher nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ob jedoch angesichts der beschriebenen Verwissenschaftlichungstendenzen die im Memorandum angesprochenen Bemühungen zur „Überbrückung des Theorie-Praxis-Grabens“ auf Dauer tatsächlich von Erfolg gekrönt sein werden, ist eher fraglich (Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft, u.a., 2005, S. 5). Viel wahrscheinlicher ist, dass der allenthalben zu beobachtende

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(Ent-)Differenzierungsprozess weiter fortschreiten wird und es künftig in noch stärkerem Maße als heute zu einem bunten Nebeneinander von einer vorwiegend theoriegeleiteten Sportwissenschaft an den Universitäten, einer stärkeren Anwendungsorientierung an den Fachhochschulen und einer eher praxisbetonten Sportausbildung beim DOSB und den Sportverbänden kommen wird.

Wer diese Entwicklung nicht will, darf sich nicht aufs bloße Lamentieren versteifen, sondern muss wissenschaftspolitisch taugliche Konzepte und Visionen vorweisen, die der Legitimation durch eine Mehrheit bedürfen. Als schier unlösbares Handikap und Dilemma eines jeden sportwissenschaftlichen Strukturmodells dürfte sich jedoch auch künftig erweisen, dass die Sporttheoretiker die Sportpraxis primär selektiv aus einer teildisziplinären Anwendungsperspektive wahrnehmen, während die Sportpraktiker eher generalistisch-pragmatisch vom lebensweltlichen Gegenstand des Sports ausgehen.

4.3  Wissenschaftstheoretische Reflexionsdefizite

So alt die Sportwissenschaft ist, so alt sind die Klagen über die Defizite ihrer wissenschaftstheoretischen Reflexion. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der heterogenen Struktur der Wissenschaftsforschung, die sich mittlerweile nicht nur in Wissenschaftstheorie, Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsgeschichte differenziert hat, sondern darüber hinaus über eine Vielzahl von unterschiedlichen Schulen und Theorien verfügt, deren Aneignung für einen primär an Praxisproblemen interessierten Sportwissenschaftler keineswegs zwingend ist. Die wissenschaftstheoretischen Kenntnisse in der Sportwissenschaft sind daher überwiegend rudimentär und oberflächlich mit Ausnahme jener Fragestellungen, die im unmittelbaren Bereich von Methodologie und Experiment angesiedelt sind. Zum anderen ist die Philosophie traditionell für das umfassende Ganze zuständig, weshalb die Wissenschaftstheorie nach wie vor zu einer ihrer Teildisziplinen zählt. Dennoch ist heute jedes Fach wie auch die Sportwissenschaft als Ganzes für die wissenschaftstheoretische Reflexion ihrer Identität und ihres Selbstverständnisses selbst verantwortlich. All diese Unwägbarkeiten mögen mit dazu beigetragen haben, dass in der Vergangenheit nur eine verschwindend geringe Zahl von Sportwissenschaftlern, wie Grupe, Digel, Meinberg und Drexel, sich regelmäßig mit wissenschaftstheoretischen Problemstellungen auseinandergesetzt hat. Nur Willimczik gelang es hierbei, eine publizistische Sonderstellung zu erlangen, wodurch allerdings die Sportwissenschaftsforschung einseitig dominiert wurde.[10]

Trotz dieser Vorgeschichte erstaunt es, dass der seit Ende der 1990er Jahre beschleunigte Umbruch an den deutschen Universitäten keineswegs zu erhöhten

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wissenschaftstheoretischen, geschweige denn wissenschaftssoziologischen Aktivitäten in der Sportwissenschaft geführt hat. Besondere Beachtung verdienen lediglich Drexels zusammengefasste Ausführungen zum Paradigmen-Begriff (2002), Willimcziks Sammelbände zur Wissenschaftstheorie (2001; 2003) nebst seinen prototypischen Feldstudien (2007) sowie Höners Überlegungen zur sportwissenschaftlichen Theoriebildung (2002; 2008). Die Gründe für diese Geringschätzung, gar Missachtung der Sportwissenschaftsforschung sind zum einen im forcierten Generationenwechsel zu suchen. Auch mag zutreffen, dass viele nachrückende Wissenschaftler weniger Zeit und Muße für die Mühsal abstrakten Reflektierens finden. Eine gewichtige Rolle dürfte auch spielen, dass die stärker gegenstandsbezogenen und interdisziplinär geführten Diskurse zu Körper, Bewegung, Lernen oder Gesundheit offenbar ganz gut ohne explizite wissenschaftstheoretische Verweise auskommen. Vor allem aber scheint gegenwärtig kein akuter Handlungsbedarf wie in den Geisteswissenschaften vorzuliegen.

Andererseits kann sich auch die Sportwissenschaft nicht dem Diktat universitärer Stellenstreichungen und öffentlicher Mittelkürzungen entziehen. Auch sie muss ihren Standort im Anforderungsprofil wissenschaftlicher Vernetzungen, transdisziplinärer Ansprüche und evaluierter Drittmittelforschung neu definieren. Ganz zu schweigen von den internen Umstrukturierungen in Lehre und Forschung, die die Postmodernisierung des Sports in der Sportwissenschaft bereits ausgelöst hat. Die derzeit vorherrschende Missachtung der Sportwissenschaftsforschung ist daher keineswegs unproblematisch. Nicht weniger verhängnisvoll dürften sich Vergangenheitshoffnungen auswirken, die sich wie der Humboldt’sche und sportwissenschaftliche Einheits-Mythos unter postmodernen Vorzeichen überlebt haben. Gerade in Zeiten erhöhten sozialen Wandels ist der Sportwissenschaft keine selbstgefällige Genügsamkeit, sondern im Gegenteil eine verstärkte Reflexionsbereitschaft anzuempfehlen, die trotz aller Unwägbarkeiten die Zukunftsperspektive mit einschließt. Nicht das von Fornoff (1997, S. 336) kritisierte Vorherrschen gleicher Antworten auf gleiche Fragen darf künftig in der Sportwissenschaftsforschung handlungsleitend sein, als vielmehr die innovative Auseinandersetzung mit jenen strukturellen Schwächen und Mängeln, die den Wissenschaftsgrad der Sportwissenschaft beeinträchtigen.  Nicht lethargisches Schweigen wäre daher die angemessene Reaktion auf Willimcziks Kritik der „idealen (Wissenschafts-)Sprache“ (2001, S. 88 ff.), sondern die vorurteilslose Auseinandersetzung vor allem mit seinem prototypischen Gegenentwurf der alltäglichen Normalsprache, zu dem bislang nur Güldenpfennig (2007, S. 325 ff.) kritisch Stellung bezogen hat.

Nachhaltig verbessern wird die Sportwissenschaftsforschung ihren Status nur können, wenn sie nicht länger im sporadischen Nebenbei durch einige Sportwissenschaftler, sondern durch eine interdisziplinär besetzte Wissenschaftsgruppe vertreten wird, die im Gliederungssystem der dvs fest verankert ist. Nur durch die Festigung ihres Institutionalisierungsgrades wird sie jenes Reflexionsvermögen erwerben können, das für eine erfolgreiche Wissenschaftsberatung unverzichtbar ist und noch am ehesten

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Gewähr dafür bietet, dass sich die Sportwissenschaft im wissenschaftlichen Konkurrenzkampf auf Dauer behaupten kann.

Was den Erkenntnisstand der Sportwissenschaftsforschung betrifft, ist sie seit ihren Anfängen zu einseitig dem kritischen Rationalismus von Popper (2005) verpflichtet. Die Relativierung und Entzauberung dieses rein kognitiven Wissenschaftsmodells durch die Wissenschaftssoziologie in den letzten Jahrzehnten wurde von der Sportwissenschaft allenfalls peripher wahrgenommen. Zwar wurde Kuhn (1967) zitiert und quantitative Methoden erlangten allmählich Beachtung, doch die revolutionäre Paradigmenverschiebung hin zum unabwendbaren Einfluss des sozialen Kontextes im Erkenntnisprozess wurde in der Breite ihrer Bedeutung nicht wahrgenommen, geschweige denn, dass sie in der sportwissenschaftlichen Methodenausbildung in hinreichendem Maße Berücksichtigung gefunden hätte. Kaum Beachtung fanden daher die mikrosoziologischen Labor-Studien von Knorr-Cetina (1991) sowie, darauf aufbauend, das Akteur-Netzwerk-Theorem von Latour (1995; 1996) oder, neuerdings, das makrosoziologische Trible-Helix-Modell von Etzkowitz und Leydesdorff (1997), die allesamt die transwissenschaftliche Einbindung und situativ-kontextuellen Abhängigkeiten des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses von mannigfachen inner- wie außerwissenschaftlichen Einflussgrößen thematisiert haben.

Der derzeitige Hang zum theoriearmen Drittmittlel-Empirismus in der Sportwissenschaft mag das Resultat dieses Versäumnisses sein. Andererseits darf die Einsicht in das oft verdeckte Wechselverhältnis von epistemologisch-rationalen und irrational-sozialen Einflüssen nicht zur Verleugnung, gar Verteuflung von Wissenschaft, Ratio und Vernunft führen. Die Aufgabe einer verantwortungsvollen, starken Sportwissenschaft muss vielmehr sein, dass sie die nicht-rationalen Mechanismen im Forschungsprozess dort minimiert, wo das Erkenntnispotential Schaden nimmt, hingegen dort maximiert, wo sie zur Humanisierung der Wissenschaft und ihrer Resultate beitragen.

Anmerkungen

[1]  Der bleibende Verdienst von Schelsky (1971) ist es, bereits in den 1960er und 1970er Jahren wegweisende, noch heute lesenswerte Vorschläge für eine grundlegende Universitätsreform gemacht zu haben.

[2]  Im „Optimierungskonzept für die Bayerischen Hochschulen 2008“ wurde die Konzentration der Ressourcen auf profilbildende und wettbewerbsfähige Schwerpunktbereiche festgeschrieben (vgl. Wissenschaftsrat, 2005, S. 38 f.). Siehe auch die Empfehlungen der Expertenkommission „Wissenschaftsland Bayern 2020“ (2005, S. 34 ff.).

[3]  Die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, lassen sich anhand der anhaltenden, kontrovers geführten Diskussion zur profilbildenden Konzentration der Hochschulen an den Standorten Berlin und München anschaulich verdeutlichen.

[4]  Vgl. Gülzow (2008, S. 15 ff.), Landfried (2005, S. 100 ff.), Arnswald (2005, S. 118 ff.) sowie Erdmann (2007, S. 180 ff.).

[5]  Vgl. Schulz (2007, S. 76 f.), Frankenberg (2005, S. 87 ff.) sowie Erdmann (2007, S. 190 f.).

[6]  Zwar basiert die Kritik von Drexel und Willimczik weitgehend auf den Sprachanalysen des späten Wittgenstein (2003). Da dieser jedoch neben Nietzsche zu den Urvätern des Postmodernismus gezählt werden kann, vertreten beide – zumindest implizit  – postmoderne Positionen.

[7]  Vgl. zum postmodernen Vielheits-Paradigma und dessen Transformation zum Patchwork-Theorem Hägele (2008, S. 45 ff.).

[8]  Die Gefahr der inhaltsarmen numerischen Quantifizierung der Forschung ist keineswegs auf die Sportwissenschaft beschränkt, sondern findet sich infolge der allgemeinen Ökonomisierung der Universität in allen Disziplinen wieder. Aufhorchen ließ daher eine Pressemitteilung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 23.02.2010, künftig bei der Vergabe von Forschungsgeldern mehr Wert auf die Inhalte der Forschungsanträge zu legen und nicht länger beliebig viele, sondern nur noch die fünf aussagekräftigsten Publikationen als Nachweis für die wissenschaftliche Qualifikation des Antragstellers zu akzeptieren.

[9]  In Zürich und München liegen bereits Bachelor- und Masterstudiengänge vor, die auf die herkömmliche methodisch-didaktische Fertigkeitsvermittlung weitgehend verzichten. Für die Sportlehrerausbildung wiederum bleibt abzuwarten, inwieweit es den in München, Erfurt und Bochum initiierten und stärker auf Berufseffizienz ausgerichteten „Schools of Education“ dauerhaft gelingen wird, die seit Jahrzehnten diskutierte Kluft zwischen erster und zweiter Ausbildungsphase zu überbrücken und welche Konsequenzen sich hieraus für die Neudefinition des Verhältnisses von sportwissenschaftlicher Theorie und Praxis ergeben werden. Abzuwarten bleibt aber auch, inwieweit die starke Gleichsetzung von Bildung und universitär anschlussfähigem Wissen ein zukunftstaugliches Modell für die Gymnasien sein kann.

[10]  Vgl. zu den Anfängen der Sportwissenschaftsforschung in Deutschland Fornoff (1997, S. 58 ff.) sowie Hägele (1996, S. 9 ff.).

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