Aufsatz*


Surfer in Aktion

Zur Zukunft des Vereins- und Verbandssports

Hägele, W.: Vereine und Verbände müssen die Weichen in die Zukunft stellen. Der gesellschaftliche Wandlungsprozess erfasst auch den Sport. In: Olympische Jugend 34 (1989), 5, S. 12-14. 

Schlagwörter

Postindustrielle Trends; Gesellschaft und Sport; Subsystemdifferenzierung; Einheit des Sports; Vereinssport; alternative Sportbewegung; Gefahren; Strategien; wünschenswerte Sportentwicklung

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Die Industriegesellschaft der Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden sozioökonomischen Wandlungsprozess. Elektronik, Bio- und Gentechnologie sowie Atom- und Solarkraft haben die Welt von Grund auf verändert. Die traditionellen Werte Leistung, Askese, Beruf, Geld und Status wurden dabei zunehmend relativiert und beeinträchtigt durch postindustrielle Wertsetzungen wie Ökologie, Hedonismus, Individualität und Humanität.

Auch der Sport blieb von dieser Entwicklung nicht verschont. Die anhaltende Diskussion über den Sinn und Zweck des Sports verdeutlicht dies anschaulich. Sport 2000 ist mittlerweile keine Zukunftsvision mehr, sondern wurde zur greifbaren Realität. Es lohnt daher, über Strategien und Handlungsvorgaben nachzudenken, die dem Sport in den Vereinen und Verbänden eine entwicklungs- und konkurrenzfähige Perspektive eröffnen:

Schlecht beraten wäre der Sport mit einem Traditionalismus, der jeglichem Neuen gegenüber voreingenommen ist. Der schwierige, von Krisen bedrohte Übergang zur postindustriellen Gesellschaft erfordert dagegen auch vom Sport ein aktiv-innovatives Befassen mit und die Suche nach einem neuen Selbstverständnis, in dem herkömmlich Bewährtes und hoffnungsvoll Zukünftiges in eine produktive Beziehung zueinander gebracht werden.

Die Vereine und Verbände im Sport müssen sich dieser Herausforderung stellen, und sie müssen mit Hilfe einer vorausschauenden Richtungspolitik gestaltend auf ihre Organisationsstrukturen einwirken. Notwendig ist dazu u.a., dass sie tiefenstrukturelle Symptome rechtzeitig und objektiv wahrnehmen können sowie zwischen Sinn und Unsinn einer Entwicklung unterscheiden lernen. Nicht Passivität, Strukturblindheit und maßloses Wunschdenken führen letzten Endes weiter, sondern nur die Einsicht und der Wille zur Beseitigung von offensichtlichen Schwächen und Mängeln im strukturellen Aufbau – mit dem Ziel, eine hohe Problemverarbeitungskapazität zu erlangen bzw. langfristig zu erhalten.

Postindustrielle Tendenzen erfordern von den Turn- und Sportvereinen insbesondere eine qualitative Anpassung des Übungsangebots an die veränderten Sportmotive der neu in den Sport hineindrängenden Bevölkerungsgruppen. Verstärkt sind dies Frauen, Ältere, Familien und Urlauber. Alternative Subgruppen in und neben dem organisierten Sport versuchen obendrein, Ziele und Legitimationsbasis der bisherigen Werteordnung kritisch zu hinterfragen. Zum Teil vehement bemängeln sie eine allzu rigide Normierung und Standardisierung von Raum, Zeit und sozialer Begegnung im herkömmlichen Sport. Und in der Tat scheint ein wachsendes Bedürfnis nach mehr Sinnlichkeit, Natürlichkeit und Ganzheitlichkeit im sportlichen Vollzug zu bestehen. Es werden bunte, weiche, sanfte, spontane und abwechslungsreiche Handlungskontexte verstärkt nachgefragt.

Dementsprechend erfuhr der Freizeitsport mit seiner Sinnorientierung an Spiel, Spaß, Spannung, Abenteuer, Glücklichsein und Wohlbefinden eine rapide Aufwertung. Vergleichbares gilt auch für den rasch expandierenden Fitness- und Gesundheitssport, dem zunehmend die Funktion der Vorbeugung, der Therapie sowie des Ausgleichs für die mangelnden Bewegungsreize und körperlichen Defizite in unserem hochtechnisch-verwissenschaftlichten Kulturkreis zukommt. Alles in allem basiert der postmaterialistische Normen- und Wertetrend in der Hoffnung auf ein Mehr an „Lebensqualität“ und „Selbstverwirklichung“ in einer ökologisch stimmigen Umwelt.

Die zeitgemäße Anpassung und Umgestaltung des Sportangebots muss allerdings dort eine Begrenzung erfahren, wo die neuen Trends überstrapaziert werden und in eine unhinterfragte Verabsolutierung und Dogmatisierung von Freiheit, Kreativität, Kooperation und Regelungebundenheit umschlagen. Eine polemisch-ketzerische Diffamierung von Zweckrationalität, Wettbewerb, Training, Rekord und sozialer Verpflichtung wäre unweigerlich die Folge. Doch so massiv heute im modernen Spitzensport auch ernstzunehmende Kritikpunkte angeführt werden können, so wenig sind Narzissmus, Muße und Ich-Verwirklichung gleichermaßen gefeit vor innerer Leere, Nihilismus, Egoismus und utopischer Radikalisierung.

Die Vereine und Verbände im Sport tun deshalb gut daran, solche oder generell ideologische Vereinseitigungen und Polarisierungen zu vermeiden und einer Vielfalt das Wort zu reden, die in den unterschiedlichsten Nuancen und Schattierungen so Unterschiedliches nebeneinander duldet

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und auch vereint wie trainings- und wettkampfintensiven Hochleistungssport, hedonistisch-kooperativen Freizeitsport und gesundheitsorientierten Fitnesssport. Andererseits ist nie ganz auszuschließen, dass die unter dem Dach des Deutschen Sportbundes konstituierte Einheit des (west-)deutschen Sports durch die anhaltende Pluralisierung der Sportmotive und die Heterogenität der Sportgruppen zunehmend gefährdet wird. Zweifel tauchen auf, ob das in den 196Oer Jahren kreierte Motto und sportpolitische Ziel „Sport für alle“ auch heute noch angesichts einer 20-Millionen-Organisation und nach wie vor beachtlichen Wachstumsraten zeitgemäß sei. Schließlich bedinge die um sich greifende Komplexität und Aufgliederung des Sports in immer mehr Teileinheiten fast zwangsläufig nicht zu unterschätzende Entstabilisierungsprozesse im Gesamtsystem. Die früher vorhandene Klarheit und Eindeutigkeit der Grundsätze und Leitlinien verliere sich allmählich in einer bedrohlichen Vagheit. Von einer inneren Geschlossenheit und verbindlichen Identität des Sports könne heute kaum mehr die Rede sein.

Bei diesen sicherlich nicht unbegründeten Argumenten wird häufig übersehen, dass die funktionale Differenzierung in modernen Gesellschaften eine unabdingbare strukturelle Notwendigkeit von komplexen Systemen darstellt. Nicht eine der Homogenität verpflichtete Einheitsideologie ist demnach künftig gefragt (die sowieso nur zur monokulturellen Erstarrung neigt), sondern eine Organisationsform, die den Subeinheiten des Sports eine weitestgehende Autonomie einräumt bei gleichzeitiger Wahrung des Gesamtzusammenhangs. Je besser dies gelingt und je mehr das stets labile und erneuerungsbedürftige Spannungsgleichgewicht von Zentralisation und Dezentralisation den jeweiligen Umständen angepasst werden kann, um so krisenresistenter und überlebensfähiger wird sich in Zukunft der Sport in den Vereinen und Verbänden erweisen.

Die Vorteile eines derart strukturierten Systems liegen auf der Hand. Erstens tangieren die spezifischen Sonderinteressen der jeweiligen Teileinheiten (etwa des kommerzialisierten Showsports) nicht länger unmittelbar die Allgemeininteressen des Ganzen. Zweitens lassen sich die unvermeidlichen Spannungsherde leichter sektoral begrenzen, wodurch die Stabilität des Gesamtsystems entscheidend erhöht wird. Fast am wichtigsten aber ist, dass eine Vielzahl wechselseitiger Abhängigkeiten, Kontrollen und Konkurrenzen der Untereinheiten zu einer generellen Erhöhung der Umweltsensibilität des übergeordneten Ganzen beiträgt. Dadurch werden tiefenstrukturelle Veränderungen leichter erkannt, und notwendige Organisationsalternativen können frühzeitig ergriffen werden.

Der Preis für diese Vorzüge ist allerdings, dass ein die Einheit des Gesamtsystems sprengendes Auseinanderdividieren der Teilzentren, beispielsweise von Hochleistungs-/Spitzensport und Breiten-/Freizeitsport, nie ganz auszuschließen ist. Bei aller Verschiedenheit der Interessen und Bedürfnisse gilt es daher mit Nachdruck, auf einem gewissen Minimal- und Grundkonsens zu beharren, der den innersten Kern des Sports, seine wesensmäßige Legitimation und tiefste Berechtigung ausmacht. Die Unversehrbarkeit und Würde der Person der Sporttreibenden sowie die Ethik des „fair play“ stellen daher keine leeren Floskeln, sondern den kleinsten zu verteidigenden Generalnenner des Gesamtsystems dar.

Gelingt es, dieses innerste Wertezentrum des Sports hinreichend wirksam gegen äußere, nichtsportliche Einflüsse, sozusagen gegen seine peripheren Unwerte, abzuschirmen, dann ist deren Integration und Absorption in einer systemungefährlichen Weise durchaus möglich. Im anderen Falle ist deren resolute Bekämpfung unumgänglich, möchte man verhindern, dass das Ganze über kurz oder lang einen nicht wieder gutzumachenden Schaden nimmt.

Wenden wir das oben beschriebene Gliederungsprinzip auf die Organisationsstruktur des Sports in der Bundesrepublik Deutschland an, dann ist dessen traditionelle Untergliederung in Vereine, Landes- und Bundesfachverbände, Landessportbünde sowie dem Deutschen Sportbund als oberstem Dachverband durchaus nicht antiquiert. Im Gegenteil, dem Föderalismus als Garant einer lebendigen Vielfalt verdankt der westdeutsche Sport trotz mancher Dementis unendlich viel.

Die Internationalisierung und Globalisierung der sozialen Beziehungen ging allerdings auch am Sport nicht spurlos vorüber. Die weltweite Verbreitung der olympischen Idee spricht hier für sich. Hinzu kommen neuerdings Kompetenz- und Steuerungsprobleme im modernen Hochleistungs-/Spitzensport, die dazu beitragen, dass der Föderalismus im Sport (ähnlich wie in anderen Lebensbereichen) immer stärker ausgehöhlt wird. Zum Nachteil des lokalen und regionalen Elementes scheint auch im Sport die Überregionalisierung der Organisationsmacht unumkehrbar zu sein. Nicht zuletzt werden hierfür immer wieder leidige Sachzwänge angeführt.

Doch so notwendig und unumgänglich die Zentralisation von Teilbereichen des Sports (insbesondere des Hochleistungs-/Spitzensports) in naher Zukunft auch sein mag, so unabdingbar und förderlich ist deren Ausgewogenheit mit einer den jeweiligen Umständen angepassten Dezentralisation seiner herkömmlichen Strukturen und Organisationsformen. Auch hier führt Einseitigkeit nicht weiter, sondern erhöht langfristig allenfalls die strukturelle Verarmung. Mit den derzeitigen Trends zum Großverein und zur Hauptamtlichkeit im Sport verhält es sich nicht viel anders. Auch hier tun die Sportvereine gut daran, die heterogene Vielfalt und Vielschichtigkeit der sportlichen Interessen nicht mit Einförmigkeit ihrer Organisationstrukturen beantworten zu wollen. Vor allem in unruhigen Zeiten beugt Vielgestaltigkeit noch am ehesten möglichen Irrwegen vor.

Zu empfehlen ist dem Sport ein buntes Neben- und Miteinander von ehrenamtlich geführten Kleinvereinen, mittelgroßen Mehrspartenvereinen und zur Professionalisierung neigenden Großvereinen, von Vereinen für Breiten-/Freizeitsport, Fitness-/Gesundheitssport und für Hochleistungs-/Spitzensport sowie von sportartspezifi-

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schen und sportartübergreifenden Vereinen, aber auch von Vereinen mit spezifischen Kurs- und Zielgruppenangeboten. Auf Dauer macht nur dieser differenzierte Verbund stark und erlaubt dem Sport eine die Evolution fördernde Gleichzeitigkeit von Spezialisation und Generalisation seiner Strukturen.

Die wachsende Aufgabenfülle der Vereine und Verbände sowie die damit zusammenhängenden steigenden zeitlichen und fachlichen Anforderungen für Übungsleiter, Trainer und Funktionäre werden die derzeitigen Tendenzen im Sport zur Neben- und Hauptamtlichkeit (Verberuflichung) sowie zum zweckrational ausgerichteten Management noch verstärken. Hinzu kommt die generell abnehmende Bereitschaft zur sozialen Verpflichtung. Dennoch gilt es, das Ehrenamt als tragendes Leitprinzip einer freien Sportbewegung zu erhalten. Allein dadurch bewahrt sich der im DSB organisierte Sport jenen Minimalbestand an Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, der ihn vor allzu aufdringlichen äußeren, nichtsportlichen Einflüssen abschirmt.

Die derzeitige Gründungswelle von postmaterialistisch ausgerichteten Kleinst- und Kleinvereinen mit einem oft innovativ-kreativen, wenn auch nicht selten kritischen Potential sollte daher weniger misstrauisch beobachtet werden. Wichtiger ist es, die derzeitige Alternativszene im Sport erfolgreich in die Sportbewegung zu integrieren, um zu verhindern, dass die Einheit des im DSB organisierten Sports eines Tages unzumutbaren Belastungen ausgesetzt ist. Unverrückbare Minimalanforderungen hierfür sind wiederum Offenheit und Toleranz Andersdenkenden gegenüber; an beidem mangelt es aber bisweilen.

Umgekehrt wird das Schreckgespenst vom inhumanen „Dienstleistungsunternehmen Großverein“ oft überzogen dargestellt. Gewiss werden dadurch die Bürokratisierungstendenzen im Sport noch erhöht. Auch erleidet die traditionelle „Wir-Gemeinschaft“ eine weitere Schwächung, was sich in einer stärkeren Mitgliederfluktuation niederschlägt. Aber dies sind in erster Linie keine sportspezifischen, sondern generelle Probleme von komplexen Organisationen in modernen Gesellschaften. Für den Sport wird von entscheidender Bedeutung sein, inwieweit es ihm künftig gelingen wird, den Großverein als eine übergeordnete Einheit von in ihm eingebetteten Kleinstgemeinschaften zu strukturieren, die weniger herkömmlichen als postmaterialistischen Maßstäben genügen müssen.

Genauso wenig darf die zunehmende Professionalisierung des Personals im Sport mit dessen Korrumpierung gleichgesetzt werden. Allenfalls wird hierdurch die fachliche Qualifikation entscheidend erhöht. Gleichwohl gilt es in Zukunft, die sportliche Gesinnung nachhaltiger in den curricularen Lehrplänen von Funktionsträgern, Trainern und Übungsleitern zu verankern. Sachliches Rüstzeug ist heute notwendiger denn je, doch ohne ethische Fundierung verkürzt es sich nur zu leicht zu einem beliebig funktionalisierbaren Torso.

Die komplementären Sportanbieter, wie Fitness- und Gymnastikstudios, Reiseunternehmen, Hotels, Sportgeschäfte, Volkshochschulen, Kommunen, Betriebe und Kirchen, haben mit beachtlichen Wachstumsraten den Sportvereinen einen gewissen Bedeutungsverlust zugefügt. Im Freizeit- und Fitnesssport hat der Deutsche Sportbund dadurch mittlerweile seine fast uneingeschränkte Monopolstellung verloren. Eine friedliche Koexistenz müsste dennoch möglich sein, da die Sportvereine in ihrer Grundsubstanz nie wirklich gefährdet waren. Außerdem ist ein noch großes Reservoir an Nichtsportlern vorhanden, das nur darauf wartet, aktiviert zu werden. Zum anderen umfasste die Sportbewegung de facto nie nur den im Deutschen Sportbund organisierten Sport.

Für die Fitnessstudios entfallen das Prinzip der Gemeinnützigkeit und die Verpflichtung zu gesellschaftspolitischen Aufgaben, wie dies vom Deutschen Sportbund in der „Charta des Sports“ festgelegt wurde. Hier herrscht das Prinzip des Marktes vor, geht es unmittelbar um Gewinn und Verlust und manchmal auch um die nackte Existenz. Die Gratwanderung zwischen Kulturgut und Wirtschaftsgut gerät dadurch nicht selten zu einem heiklen Balanceakt. Der komplementäre Sport ist deshalb aber nicht von vornherein minderwertig oder sonstwie entartet. Notgedrungen bemühen sich auch die Fitnessstudios um das Wohl und Wehe ihrer Sportler. Auch sie kommen nicht ohne ein Mindestmaß an Reflexion auf das Sportethos aus, wenn auch bisweilen die Akzente stärker verschoben sein mögen.

Ein Bekämpfen der komplementären Sportanbieter erübrigt sich damit fast von selbst. Wahrscheinlich würde dies sowieso nur das Gegenteil bewirken. Ein partnerschaftliches Verhältnis ist eher angezeigt, das auf gegenseitigem Respekt beruht, zum Suchen nach Handlungs- und Organisationsalternativen herausfordert sowie zur Weiterentwicklung eines qualitativ ansprechenden Angebots beiträgt. Schließlich darf die Tatsache nicht verschwiegen werden, daß die komplementären Sportanbieter auf den Normen- und Wertewandel der letzten Jahre vielfach flexibler, kreativer und innovationsfreudiger reagierten als der Vereinssport.

Zu den Massenmedien, zu Wirtschaft und Politik haben die Sportvereine und Verbände inzwischen vielfältige Wechselbeziehungen hergestellt. Viele befürchten daher eine allmähliche Überfrachtung des sportlichen Handlungssystems mit äußeren, wesensfremden Elementen. Mancher Kritiker sieht gar die innere Autonomie des Sports ernsthaft bedroht. Doch ohne die zum Teil erhebliche finanzielle Unterstützung von außen scheint der moderne Sport heute nicht mehr auszukommen. Die Kosten insbesondere im Hochleistungssport sind mittlerweile derart hoch, dass Haushaltsdefizite oft nur noch mit fremder Hilfe ausgeglichen werden können. Als Alternative bleibt meistens nur der Schritt in die sportliche Zweitklassigkeit. Damit tut sich aber ein Teufelskreis auf, der nur schwer zu durchbrechen ist.

Eine allzu geharnischte Kritik sollte jedoch bedenken, dass auch der Sport nicht in einer gesellschaftsfreien Sphäre angesiedelt ist. Unsere massenmedial-korporatistisch ausgerichtete und der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtete Parteiendemokratie gibt vielmehr, mit allen Vor- und Nachteilen, auch für das Handlungsfeld des Sports den institutionellen Rahmen ab. Dennoch müssen die derzeitigen Politisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen im Sport sorgfältig beobachtet und gezielt unter Kontrolle gehalten werden – und wenn nötig ist einer an die Grundsubstanz gehender Überfremdung des Sports rechtzeitig Einhalt zu gewähren.

Bestes vorbeugendes Mittel hierfür ist allemal noch, das rechte Maß zu wahren. Dies schließt mit ein, nicht alles machen zu wollen, was potentiell möglich ist. Überlegte Zurückhaltung führt langfristig meist weiter als kurzschlüssige Voreiligkeit. Deshalb darf der Grundsatz auch nur lauten: Kooperation mit den Massenmedien, der Politik und der Wirtschaft so viel wie nötig, doch unmittelbare Beeinflussung und Abhängigkeit des Sports von äußeren Kräften so wenig wie nur irgend möglich. Vor allem aber müssen die Vereine und Verbände im Sport darangehen, ihre zum Teil eklatanten Defizite in der externen Handlungs- und Sachkompetenz abzubauen. Unkenntnis über die Prozessmechanismen politischer und wirtschaftlicher Basisvorgänge nährt allenfalls Vorurteile, trägt zur Übervorteilung bei und ist kaum eine solide Basis für eine dauerhafte Partnerschaft.

Das beste „Mittel“ gegen äußere Beeinträchtigungen aber ist und bleibt für den organisierten Sport die Stärkung bzw. Stabilisierung seiner Interessen- und Solidargemeinschaft. Denn auch hier gilt der Grundsatz: Einigkeit macht stark. Seine Position nichtsportlichen Dritten gegenüber wird dadurch enorm aufgewertet und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sein innerstes Normen- und Wertezentrum sowie seine ureigenste Legitimationsbasis trotz aller Anfechtungen erfolgreich gewahrt bleiben. Nach außen erfordert dies Geschlossenheit und nach innen eine Rückbesinnung auf Tugenden, die heute zuweilen ins Hintertreffen zu geraten scheinen: nämlich Menschlichkeit, Sittlichkeit und Anstand.