Gliederung
- Die Ultras
- Vom traditionellen zum modernen (Profi-)Fußball
- Protest-Aktionen der Ultras zu den Entwicklungen im modernen Profifußball
- Kritisches Potenzial und sozio-kulturelle Vorgeschichte der Ultrabewegung in Deutschland
- Postmoderne Ultras und moderne Profivereine um die Jahrtausendwende und ihr Verhältnis Mitte der 2020er-Jahre
- Die Zukunft der Ultras und der moderne Profifußball
Stichworte
Ultras; Profifußball; Kommerzialisierung; Support; Proteste; 50+1-Regelung
1. Die Ultras
Seit den 1990er-Jahren erlangten die Ultras in den Fußballstadien wachsende Bedeutung und Einfluss. Angesiedelt im Stehbereich der Stadionkurven dominieren sie mittlerweile nicht nur die Fanszene, sondern kreierten mit ihrem aufsehenerregenden Support und der bedingungslosen Unterstützung ihrer Mannschaft einen bis dahin in Deutschland unbekannten Fan-Typus.
Befremdlich waren die vielen Banner, Schwenkfahnen, Spruchbänder und Doppelhalter, die für ein ungewöhnlich buntes, facettenreiches Bild sorgten. Verwunderung löste vor allem der mit dem Rücken zum Spielfeld stehende Vorsänger (Capo) aus. Mit viel Geschick und Temperament koordinierte er – im unmittelbaren Wettstreit mit den gegnerischen Fans – das rhythmische Klatschen, Springen, Singen und lautstarke Anfeuern seiner Ultras. Dies trug zu jener extrovertierten, ausgelassenen, wilden Stimmung bei, welche besonders Jugendliche und junge Erwachsene anzog, die zu den Trägern der neuen Fanbewegung wurden. Großes Aufsehen erregten vor allem die spektakulären Choreografien, die unter Anleitung besonders aktiver, erfahrener und verdienstvoller Ultas in oft wochenlanger, zeit- und kostenintensiver Kleinarbeit vorbereitet wurden. So sehr sich die diversen Ultra-Gruppen und ihre Mitglieder daher hinsichtlich Einstellung, Engagement und Partizipation voneinander unterschieden haben, die kreativen und originellen Kurvenchoreografien und Supportdarbietungen zwangen sie immer wieder, aufeinander zuzugehen und als Einheit aufzutreten. Mit dem insgeheimen Anspruch, die einzig „wahren Fans“ zu sein, erhoben sie die Stadionkurve zum Ort aktiven, gemeinsam geteilten Fußballerlebens und unterschieden sich damit deutlich von den konventionellen Zuschauern sowie den restlichen Fangruppen.
Die uneingeschränkte Unterstützung der eigenen Mannschaft hinderte viele Ultra-Gruppen jedoch nicht daran, eine kritische Haltung gegenüber Verein, Spieler und Funktionäre einzunehmen. Sie bezogen ihr Selbstverständnis nicht aus einem stillen, kommentarlosen Akzeptieren der Ereignisse im Verein sowie generell im modernen (Profi-)Fußball. Vielmehr erlaubten sie sich – zum Ärger, gar Unverständnis vieler Vereins- und Verbandsfunktionäre – eine oft rebellisch-kompromisslose Kritik, begleitet von zuweilen anarchisch-nihilistischen Protest-Aktionen, die einerseits Verwunderung und Staunen, andererseits Unverständnis und Ablehnung in der Bevölkerung wie in der Fachwelt auslösten.
2. Vom traditionellen zum modernen (Profi-)Fußball
In den 1950/60er-Jahren bildete die vom Deutschen Sportbund (DSB) als Dachverband vorgegebene Werteordnung mit Amateurismus, Gemeinnützigkeit, Ehrenamt und basisdemokratischer Freiwilligkeit die konstitutive Legitimationsbasis auch der Fußballvereine. In den folgenden Jahrzehnten kam es zur Ausdifferenzierung des Fußballsports in traditionellen Amateur- und modernen Profifußball. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung waren die einsetzenden Professionalisierungs-, Medialisierungs- und Kommerzialisierungsprozesse. Verstärkt durch ihre wechselseitige Durchdringung sorgten sie dafür, dass sich der Profifußball im Laufe der Jahre immer weiter von seinem traditionellen Werte- und Sinnzentrum entfernte und sich die Kluft zum Amateurfußball zunehmend vergrößerte.
a) Professionalisierung
Mit der Einführung der Bundesliga (1963) wurde eine zunächst verhaltene, dann dynamisch sich beschleunigende Professionalisierung im Fußballsport legalisiert. Bereits Mitte der 1970er-Jahre wurde die Obergrenze für Spielergehälter abgeschafft. Daraufhin stiegen die Gehälter, Prämien und Ablösesummen der Spieler unaufhaltsam an. Der Verberuflichung der Spieler- und Trainerrolle folgte in den 1980er-Jahren der wirtschaftlich versierte Manager und qualifizierte Hauptamtliche zur Unterstützung des ehrenamtlichen Vereinsvorstands. Ende des 20. Jahrhunderts kam es schließlich zur Ausgliederung des Profifußballs aus dem Deutschen Fußballverband (DFB) in die Deutsche Fußball-Liga (DFL). Gleichzeitig fand in vielen Vereinen eine Umwandlung der Profiabteilungen in Kapitalgesellschaften statt. Damit wurde ein Professionalisierungsgrad erreicht, der die Macht der Vereinsmitglieder gegenüber externen Investoren auf die 50+1-Majoritäts-Regelung beschränkte. Inwieweit diese Schutzklausel zugunsten der Vereine künftig Bestand haben wird, ist derzeit völlig offen angesichts der immensen Summen, die ein Spitzenclub aufbringen muss, um in den europäischen Spitzenligen konkurrenzfähig zu bleiben.
b) Medialisierung
Die große Beliebtheit des Fußballsports in der deutschen Bevölkerung wurde durch eine Sportberichterstattung gefördert, bei der das gedruckte Wort im Laufe der Jahrzehnte durch die Omnipräsenz von Fernsehen, Internet und soziale Medien allmählich in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Macht der TV-Bilder kam erstmals bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 eindrucksvoll zur Geltung. Auch die samstägliche Sportschau trug maßgeblich zur Popularität der Bundesliga bei. Mit Hilfe von Satellitenübertragungen gelang es zudem seit Ende der 1960er-Jahre, bei globalen Großveranstaltungen (WM, EM) ein dynamisch wachsendes Weltpublikum für den Fußballsport zu begeistern.
Mit dem Verkauf der TV-Übertragungsrechte erschloss sich den Bundesligavereinen eine wichtige Einnahmequelle. Unter der Federführung der DFL und gestaffelt nach Liga und Leistungsstand erhielten die Vereine einen kontinuierlich wachsenden Geldbetrag, mit dem sie einen beträchtlichen Teil ihrer Etats abdecken konnten. Mittlerweile betragen die TV-Gelder über eine Milliarde Euro pro Saison; Tendenz steigend. Seit Mitte der 1980er-Jahre profitierte der Profifußball zudem in erheblichem Maße vom Aufkommen des Privat- und Bezahl-Fernsehens sowie vom Hype, der durch die Einführung der Champions-League (seit 1992) ausgelöst wurde. Der Fußballinteressierte konnte dadurch auf ein reichhaltiges Fußball-Angebot zurückgreifen, welches den Stadionbesuch vor Ort ebenso einschloss wie digital die Spiele der europäischen oder südamerikanischen Top-Ligen. Der Preis, den der Profifußball für die Medialisierung seiner Welt zu bezahlen hatte, waren Zugeständnisse bei den Übertragungsmodalitäten sowie ein generell höherer virtuell-digitaler Einfluss auf das reale Spielgeschehen.
c) Kommerzialisierung
Je attraktiver der Profifußball für die Massenmedien wurde und je häufiger Fußballspiele zur Primetime im Fernsehen übertragen wurden, umso interessanter wurde er als Werbeträger für die Wirtschaft. In den 1950er-Jahren beschränkten sich die Einnahmen der gemeinnützigen Vereine noch weitgehend auf die Mitgliederbeiträge sowie den Ticketverkauf. Mit der Trikotwerbung (1973) zu Beginn der Professionalisierung wurde eine Spirale der Vermarktung in Gang gesetzt, die ihre erfolgreiche Fortsetzung in der Bandenwerbung sowie in der Veräußerung des Stadionnamens fand. Mittlerweile sind führende Wirtschaftsunternehmen bereit, Millionen für Werbeverträge mit Proficlubs auszugeben. Andere Unternehmen hoffen, als Investoren mit dem Kauf von Vereinsanteilen das große Geschäft machen zu können.
Weit davon entfernt, gemeinnützigen Ansprüchen zu genügen, haben sich Proficlubs auf der Suche nach immer neuen Einnahmequellen zu marktorientierten Dienstleistungsunternehmen entwickelt. In Widerspruch zu seinen traditionellen Werten wurde der Spitzenfußball zur käuflichen Ware, der den Prinzipien der Profitmaximierung folgt. Nur durch anhaltende Erfolge (Siege) – möglichst in europäischen Ligen – vermag ein Spitzenclub seinen Marktwert dauerhaft zu festigen. Nicht die Fans in den Stadien bringen heute das große Geld, sondern lukrative Werbeverträge sowie kapitalstarke Investoren, die mit teuren Business- und VIP-Logen bei Laune gehalten werden. Wurde die Kluft zwischen armen und reichen Profivereinen durch die tabellarische Vergabe der Fernsehgelder vertieft [vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen von Heribert Bruchhagen in der Süddeutschen Zeitung vom 21.08.2024], wird sie nun durch die marktabhängigen Gelder aus der Wirtschaft fast unüberbrückbar. Der Verbleib eines Spitzenclubs in der Liga scheint mittlerweile weniger vom Können und Glück als vom Geld abzuhängen, das einem Verein für seine Profiabteilung zur Verfügung steht.
3. Protest-Aktionen der Ultras zu den Entwicklungen im modernen Profifußball
Viele Ultras sehen im übergroßen Einfluss der Massenmedien und der Wirtschaft das Hauptproblem des Profifußballs in den letzten Jahrzehnten. Die Jagd nach Erfolg und (damit auch) Geld, habe zu einer Entfremdung des Vereins von seinen Mitgliedern und Fans geführt. Mit ihren Argumenten knüpfen sie an den Geist der 1950/60er-Jahre an und widersetzen sich damit vehement der ihrer Meinung nach unverhältnismäßigen medialen und kommerziellen Instrumentalisierung der Werte und Ziele einer letztlich in der Spielwelt gründenden Fußballkultur.
Die Proteste gegen die Medialisierung des Profifußballs richteten sich in erster Linie gegen die Zerstückelung der Spieltage und der Anstoßzeiten. Darin sahen die Ultras eine erhebliche Benachteiligung der arbeitenden Fans bei Auswärtsspielen an Werktagen und am Abend. Der wachsenden Eventisierung und medialen Verwertbarkeit des Profifußballs hielten sie das Negativbeispiel des Super Bowl entgegen, wo die Halbzeits-Show und die Auszeiten für exorbitant teure Werbeeinlagen fast wichtiger geworden sind als das eigentliche Spiel. Die damit verbundene Medienkritik mag mit ein Grund sein, weshalb das Negativimage der Ultras in Presse und Fernsehen als gewaltbereite und Bengalos werfende Chaoten jahrelang aufrechterhalten wurde, ohne die positiven Aspekte und die Fortentwicklung der Ultrabewegung in den letzten Jahren hinreichend zu würdigen.
Bei ihren Protest-Aktionen gegen die Erhöhung der Eintrittspreise sowie gegen die wiederholt diskutierte Versitzplatzung der Kurvenstehplätze fürchteten die Ultras gar um den Fortbestand der Ultra-/Fanbewegung. Einen erheblichen Identitätsverlust der Vereine sahen sie insbesondere im stetig wachsenden Einfluss der Mäzene und Investoren. Daher versuchten sie nicht nur, deren Promotionsaktionen am Spieltag zu boykottieren, sondern wurden lauter und aggressiver gegenüber ihren bekanntesten Vertretern: Red Bull (RB Leipzig) und Dietmar Hopp (TSV Hoffenheim). Mittlerweile suchen die Vereine und der DFB vermehrt den Dialog mit den Ultras. Der von den Ultras vereitelte Investorendeal der DFL durch wochenlange Würfe von Gegenständen aufs Spielfeld bei fast allen Bundesligaspielen zeigte jedoch, welche konfliktbeladenen, aber auch grenzwürdigen Formen das Ringen um die beste Zukunft des Profifußballs mittlerweile angenommen hat. Mit der drohenden Abschaffung der 50+1-Regelung rückt für viele Ultras die totale Kommerzialisierung des Profifußballs in Deutschland mit Ausverkauf der Vereinstradition bedrohlich näher. Hingegen erhoffen sich Martin Kind (Hannover 96) und Uli Hoeneß/Kalle Rummenigge (FC Bayern), als deren prominentesten Gegenspieler, durch diese Regeländerung weit lukrativere Sponsoren- und Investorenverträge und damit eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Fußballgeschäft.
Nachdruck verliehen die Ultras ihren Protesten mittels Spruchbänder, Doppelhalter und Sprechchören bis hin zu Stimmungsboykott und Fernbleiben vom Spiel. Eine hohe Wirkung erzielten ihre Aktionen vor allem durch die überregionale Vernetzung der Gruppen, was ein rasches, abgestimmtes Handeln ermöglichte. Hinzu kommt eine hohe Medienpräsenz, anfänglich in den Fanzines, später im Internet sowie generell in den sozialen Medien. Trotz aller Zwistigkeiten gelang es den Ultras zudem bereits in den 1990er-Jahren, sich mit „Pro Fans“ (ehemals „Pro 15:30“) und dem „Bündnis Aktiver Fußballfans“ (BAFF) gruppen- und ortsübergreifend zu organisieren. Diese Vereinigungen beteiligten sich von Anfang an bei den Demonstrationen und Protesten der Ultras und verliehen deren Forderungen erhöhten Nachdruck und Durchschlagskraft.
4. Kritisches Potenzial und sozio-kulturelle Vorgeschichte der Ultrabewegung in Deutschland
Wer Erklärungen für die protestierende, kritisch-aufrührerische Seite der Ultras sucht, findet sie in den Anfängen der Ultrabewegung in Italien. Dort entstanden seit Ende der 1960er-Jahre die ersten Ultra-Gruppen in der curva unter dem Einfluss marxistisch-revolutionär ausgerichteter Studenten- und Arbeitergruppen und deren Fundamentalkritik an Staat und Gesellschaft. Die enge Verwurzelung der italienischen Ultras mit der emanzipatorischen, linksgerichteten Gesellschaftskritik blieb trotz aller qualitativen Veränderungen und gegenteiligen Strömungen, welche die Ultrabewegung länderübergreifend im Laufe der Jahrzehnte erfahren hat, tragendes Element ihres Selbstverständnisses. Bis heute ist das Manifest der Ultras vom AS Roma (1999) Fix- und Bezugspunkt vieler kritischer Ultra-Gruppen [vgl. hierzu das Manifest der Dortmunder BVB-Ultras (2001)]. Dort sind die wesentlichen Verhaltensregeln der Ultras niedergeschrieben – mit starkem zeitgenössischem Bezug:
Ultras sollten insbesondere: 1. Jeden unnötigen Kontakt oder Hilfe durch die Vereine oder die Polizei verweigern. 2. Untereinander besser zusammenarbeiten. 3. Mit den Ultras anderer Vereine kooperieren, um die Ware TV-Fußball unattraktiver zu machen. 4. Von Autoritäten sich nicht unterdrücken lassen.
Unschwer lässt sich in diesen Statements die klassenkämpferische Haltung der rebellierenden Jugend gegen das gesellschaftliche Establishment Ende der 1960er-/Anfang der 1970er-Jahre wiederfinden. Zu den traditionellen Institutionen in Sport und Gesellschaft sollte kritische Distanz gewahrt werden. Nicht mit passiver Untätigkeit konnte der ausufernden Kommerzialisierung in Gesellschaft und modernem Profifußball begegnet werden, sondern nur durch aktives, entschlossenes Handeln. Vor allem sollten in der curva wie auf der Straße die Werte der Solidarität und des Gemeinschaftssinns über allen gruppeninternen und -externen Querelen und Zerwürfnisse stehen.
Die traditionelle Orientierung des deutschen Fußballs am englischen Vorbild sorgte jedoch dafür, dass die Ultrabewegung in Deutschland erst in den 1990er-Jahren Fuß fassen konnte. Beeinflusst durch die englische Fanszene eroberten zunächst die Kuttenfans in den 1970/80er-Jahren die deutschen Stadien. Diese bekundeten ihre große Verbundenheit mit ihrem Verein und ihrer Mannschaft durch unzählige Aufnäher und Pins auf ihren Jeansjacken (Kutten) sowie durch ihre Mützen, Schals und Fahnen in den Vereinsfarben. Die postmoderne Ästhetisierung der Lebenswelt der Hippies, Rock-Stars und (alternativen Lebens-)Künstler jener Zeit schlug sich auf diese Weise crossover im farbenfrohen Outfit der Kuttenfans nieder und unterschied sie damit deutlich von den restlichen Stadionbesuchern. Im Zentrum ihres Denkens, Handelns und Fühlens standen das Spiel auf dem Platz und die leidenschaftliche Unterstützung der eigenen Mannschaft mit Sprechchören, Gesängen und rhythmischem Klatschen. Hingegen wurden die choreografischen Showeinlagen erst von den Ultras eingeführt. Zu den Kuttenfans zählten fast nur Männer, die sich in Fanclubs oder informellen Cliquen organisierten. Selbst bei anhaltendem Misserfolg und Abstieg in die Zweitklassigkeit hielten sie zumeist zeitlebens ihrem Verein die Treue.
In den 1980er-Jahren verloren die Kuttenfans die Oberhand in der Kurve an die Hooligans. Diese hatten bereits in England eine zweifelhafte Berühmtheit durch ihre hohe Bereitschaft zu Aggression und Gewalt erlangt. Häufig wichtiger als der Wettstreit auf dem Rasen war für sie der zum Selbstzweck erhobene Kampf mit gegnerischen Fans, der Polizei oder den Kuttenfans. Meistens fand eine Begrenzung der Mittel mit Ausschluss von Waffen und Messer sowie des tödlichen Kampfes statt. Im krassen Gegensatz zu den Kuttenfans war ihr Outfit eher unscheinbar. Auffallend waren allerdings die vielen Halstücher und Kapuzen, welche die polizeiliche Gesichtserkennung erschweren sollten. Nach wiederholten gewaltsamen Ausschreitungen im Stadionbereich wurden die repressiven Maßnahmen gegen sie erhöht (Gewalttäterdokumentation, Stadionverbot, Überwachungskameras). Daraufhin verlagerten sie ihre Kämpfe vom Stadion zu den Anfahrtswegen und in die Innenstädte. Und später, als sie ihre Macht und ihren Einfluss im Stadion und in der Kurve an die Ultras verloren hatten, bevorzugten sie sog. „Wald- und Wiesen-Matches“ in polizeifernen Zonen abseits der Stadien.
Der Auslöser für die Abkehr von der gewaltbetonten englischen hin zur folkloristischen italienischen Fankultur waren in den 1980er-Jahren u. a. die Katastrophen in den Fußballstadien von Brüssel und Sheffield mit 135 Toten. Diese lösten einen gesellschaftspolitischen Aufruhr aus und führten zur europaweiten Bekämpfung des Hooliganismus. Wachsende Bekanntheit erlangte die italienische Ultraszene in Deutschland vor allem durch die TV-Präsenz italienischer Spitzenclubs in der Champions-League sowie durch deutsche Schlachtenbummler und Groundhopper, die in italienischen Stadien die Welt der Ultras aus nächster Nähe kennenlernen konnten. Dies führte in den 1990er-Jahren zu einer dynamisch wachsenden Ausbreitung der Ultraszene in Deutschland mit vereinnahmender Dominanz in den Stadionkurven um die Jahrtausendwende – auf Kosten der ins zweite Glied zurückgedrängten Kuttenfans sowie der zumindest latent in vielen Stadien präsent bleibenden rechtsradikalen Hooligans.
Die Fortsetzung folgt jeweils am Monatsanfang!

